Austro-Doku

Proksch-Film: Unsittenbild Österreichs

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Regisseur Robert Dornhelm sagt: 'Kein Film über den Fall Lucona'

Die illustre Mitgliederliste des "Club 45" reichte im Mai 1980 von A wie Hannes Androsch bis Z wie Helmut Zilk. Die mehrseitige Namenliste befindet sich in einem umfangreichen Konvolut von und über Udo Proksch, das Westlicht-Gründer Peter Coeln seit 2006 zusammengetragen hat. "Über 20.000 Fotos, über 10.000 Briefe, dazu jede Menge Design-Entwürfe, Kunstwerke und Konzepte", schwärmte Coeln heute bei einer Pressekonferenz zu "Out of Control", Robert Dornhelms Dokumentarfilm über Udo Proksch (1934-2001), der am Freitag, 12.3. im Kino startet. Ein Buchprojekt und eine Ausstellung zu Proksch sollen folgen.

Schiessen im Demel
Die Pressekonferenz fand im zweiten Stock über dem Demel statt. Hier sei allerdings nicht der legendäre Herrenclub gewesen, erläuterte eine der anwesenden Demelinerinnen, den zweiten Stock habe Proksch jedoch immer wieder für private Feste verwendet - und gelegentlich auch dabei in die Decke geschossen: "Ich war dabei!"

Dornhelm: "Ich war schon immer fasziniert von ihm."
Er habe Udo Proksch hier vor 30 Jahren anlässlich eines Besuchs von Grace Kelly erstmals kennengelernt, schilderte Dornhelm. "Ich war schon immer fasziniert von ihm. Mir imponiert, wenn junge Menschen Erfolg haben." Er habe von Proksch persönlich die Filmrechte über sein Leben erhalten. Proksch wollte damals unbedingt, dass sein Vorarlberger Freund Harald Kloser dabei mitarbeite. Also hatten Dornhelm und Kloser (der nun die Filmmusik beigesteuert hat) ein Drehbuch verfasst, "Blue Danube Cowboy", bei dem am Ende Proksch vor dem Demel erschossen wird. "Proksch fand das nicht so gut. Er hatte Bedenken, dass sonst jemand auf die Idee kommen könnte, das wirklich zu tun." Doch als er Jack Nicholson für die Proksch-Rolle ins Spiel gebracht habe, habe er völlig freie Hand erhalten, so Dornhelm.

Dokumentarfilmprojekt
Aus dem Spielfilmprojekt ist nichts geworden, doch Dornhelm hat sich nun als idealer Einspringer erwiesen, als dem bereits vor zweieinhalb Jahren von Coeln gestartete Dokumentarfilmprojekt der erste Regisseur "abhandengekommen" war. Der ursprünglich vorgesehene Regisseur, Manfred Klimek, wurde ausbezahlt, weil seine sehr kritische Sichtweise nicht erwünscht gewesen war.

Über die Arbeit
Zu Dornhelms Überraschung sei eigentlich jeder der angefragten Gesprächspartner dazu bereit gewesen, über Proksch vor der Kamera Auskunft zu geben. "Es scheint genug Zeit vergangen zu sein." Sein Problem sei eher die Materialfülle gewesen. "Zahlreiche Anekdoten wegzulassen hat mich am meisten geschmerzt. Es gab wenig Leute, die nicht eine Anekdote angeboten hatten." Entsprechendes soll sich dann auf der DVD als Bonusmaterial finden.

Proksch-Filmausschnitte dabei
Auch Proksch hatte sich seinerzeit als Filmregisseur versucht. Dornhelm hat einiges davon in seinem Film verwendet: "Er war chaotisch, ein Dilettant in vielen Dingen. Aber er hat nie Geduld gehabt, Dinge fertigzumachen. Viele seiner Aufnahmen haben wir noch ungeschnitten gefunden." Der ORF hat "Out of Control" mitfinanziert, für Programmdirektor Wolfgang Lorenz ("Ich war nicht mir Proksch befreundet, aber bekannt mit ihm, und hatte immer das Gefühl, ich muss besonders gut sein, um ihm zu entsprechen.") ist der Film "ein Sittenbild, aber besser Unsittenbild" über Österreich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts geworden, eine "Spurensicherung" und ein "Zeitdokument", das er "am liebsten morgen" senden würde. Üblicherweise gelte eine Sperrfrist von 24 Monaten nach dem Kinoeinsatz, vielleicht gelänge jedoch schon ein früherer Ausstrahlungstermin.

"Wir sind sehr interessiert an seinem Archiv."
MAK-Direktor Peter Noever nannte Proksch "einen der umstrittensten Akteure der Wiener Kunstszene" und jemanden, der den Designbegriff extrem erweitert habe, vom Produkt zum Projekt, zur Strategie. "Wir sind sehr interessiert an seinem Archiv." Ob die von Coeln parallel zum Buchprojekt, über das man mit einem Salzburger Verlag verhandle, angestrebte Ausstellung im MAK oder anderswo zustande kommt, ist noch ungewiss.

"Habe den Film nicht wie ein Kriminalist gemacht"
Gewiss ist für Dornhelm dagegen eines: Er habe sich für den Menschen Proksch, nicht für den wegen sechsfachen Mordes und Mordversuches Verurteilten interessiert. "Ich habe den Film nicht wie ein Kriminalist gemacht. Das ist kein Film über den Fall Lucona." Das sei auch der Grund, warum Buchautor Hans Pretterebner ("Der Fall Lucona") nicht vorkomme. Darüber sei er auch keineswegs enttäuscht, versicherte der anwesende Journalist, zeigte sich bezüglich "Out of Control" jedoch äußerst skeptisch: "Es ist schon so, dass Proksch hier ein filmisches Denkmal gesetzt wird. Der Film trägt zur Legendenbildung bei."

Dornhelm-Projekte
Nach seinen nächsten Filmen befragt, sagte Dornhelm, er habe viele verschiedene Projekte laufen, darunter sei ein Film über die Geschichte des Mercedes ebenso wie einer über die Jahrhundertwende. Der lange geplante Fernsehfilm über die Türkenbelagerung hat allerdings aufgrund des Ausfalls des vorgesehenen polnischen Koproduzenten derzeit Finanzierungsprobleme.

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