Löbl-Kritik

Anna in Bestform

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Als grandiose Manon verabschiedet sich Netrebko in Babypause. Eine Kritik von Karl Löbl.

Wir dachten, die Manon der Netrebko zu kennen. Sie hat die Titelrolle in der Oper von Massenet vor einem Jahr bei der Wiener Premiere, später auch in Berlin gesungen. Jetzt, bei der Wiederaufnahme an der Staatsoper, waren alle Vorzüge wieder da. Die vokalen und optischen, das Changieren zwischen Koketterie und Liebe, das Raffinement des Singens und die Schönheit der Stimme. Aber da war diesmal noch etwas. Anna Netrebko hat der Figur Tragik hinzugefügt. Der Abschied von der scheinbaren Idylle im 2. Akt, das letale Ende der Oper hatten Ausdrucksnuancen, Zwischentöne, die zu Herzen gingen.

Natürlichkeit
Der Sinnlichkeit ihres Soprans war Dramatik hinzugefügt, das Spiel hatte größte Natürlichkeit. Auf Negligé, Laszivität, körperlichen Einsatz musste und wollte die Netrebko nicht verzichten. Der Abschied von ihr vor der Babypause wird uns schwerfallen.

Ihr Des Grieux, der Italiener Massimo Giordano, benötigte zwei Akte, um seine Nervosität zu überwinden. Er ist fesch, spielt ausgezeichnet, war im Ausdruck von Anfang an glaubhaft. Doch erst nach der Pause hatte er seinen Tenor wirklich unter Kontrolle und war dann der Netrebko ein vollwertiger Partner. Adrian Eröd gibt dem Lescaut Profil und baritonale Qualität. Alexander Kaimbacher und Clemens Unterreiner (Guillot, Brétigny) waren für den Verlauf der Handlung wichtige Neubesetzungen und machten aus Episoden scharf gezeichnete Charaktere.

Großer Abend
Claude Schnitzler, der Dirigent des Abends, hat eine feine Sensibilität für französische Oper, ist mit den Ohren bei den Sängern und sorgt trotzdem dafür, dass die Musik ihre Fasson nicht verliert. Der Orchesterklang korrespondierte ideal mit den Stimmen oben auf der Bühne. Ein großer Abend.

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