Jugendkult

Ausstellung zeigt alle "Bravo"-Starschnitte

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Idole in Lebensgröße haben Jugendgeschichte geschrieben.

Viel Nachkriegsmief, kein Internet, der Fernseher nur schwarzweiß - wenn überhaupt einer da ist. Dann kommt für die Jugendlichen "Bravo" auf den Markt, das war 1956. Knallbunt prägt die Zeitschrift ganze Generationen deutschsprachiger Teenager mit Berichten über die Idole, mit Aufklärungsseiten und Foto-Lovestories. Dann kommt der Starschnitt in Lebensgröße, Stück für Stück über viele Hefte.
 

Revolutionär

Schon der Start im März 1959 ist überraschend lasziv: Brigitte Bardot in Netzstrümpfen und schwarzem Body. "Damals war "Bravo" revolutionär", sagt Carsten Junge. ""Bravo" war der Gegenpol zum röhrenden Hirsch im Wohnzimmer der Eltern." Junge ist Jahrgang 1959, heute ist der langjährige "Bravo"-Leser Geschäftsführer einer Sparkassenstiftung in Lüneburg - und dort hat er für das Großpuzzle eine ganze Schau organisiert. "Noch nie hat sich jemand umfassend dem Thema gewidmet", sagt Kuratorin Marie-Lotta Karcher. "Wir sind die ersten, die alle Starschnitte zeigen." Präsentiert wird die Schau in der KulturBäckerei, einem von Junges Sparkassenstiftung als Non-Profit-Projekt betriebenen Kunstzentrum.
 

Zeitgeschichte

 
Alle - das sind rund 120. Auf die Bardot folgten zum Ausschneiden und Aufkleben Peter Kraus und Conny Froboess, Elvis Presley und Freddy Quinn. Es blieb über die Jahrzehnte eine bunte Mischung der Stars vor allem aus Musik, Film und Fernsehen. "Nur Pierre Brice wurde dreimal gezeigt - immer als Winnetou", sagt Junge, während es durch die nach Jahrzehnten sortierte Schau geht und eine Musicbox die Töne von damals erklingen lässt. "Das ist , das ist Jugendgeschichte, das ist Kulturgeschichte über die Musik weit hinaus", betont Junge. ""Bravo" hat Stars gemacht, das war der Ritterschlag." Die Auflage war einst siebenstellig - und die Hefte wurden weitergereicht. "Rund fünf bis sechs Millionen haben die "Bravo" gelesen", schätzt Junge. Auf die Idee zur Ausstellung ist der 57-Jährige beim Aufräumen gekommen. "Meine Frau sagte: Mach den Dachboden begehbar!", lacht er. "Beim Aufräumen habe ich dann einen alten Karton mit meinen Starschnitten gefunden." Vollständig waren sie nicht. "Bei Suzi Quatro fehlten ein Knie und der Busen", sagt Junge, noch immer ein wenig bekümmert. Rund 50 Exemplare hat Junge danach zusammengetragen. In der Ausstellung sind aber nur gut gemachte Faksimiles zu sehen. "Viele Originale wären heute unbezahlbar", so Junge. "Mit dem Starschnitt konnte man sich sein Idol ins Zimmer holen", sagt Kuratorin Karcher. "Heute kann man den Stars auf anderen Wegen nahe sein, auch viel schneller und unmittelbarer als früher. Durch Apps kann man im digitalen Zeitalter seinen Stars praktisch live folgen", erklärt sie. Die Kulturwissenschaftlerin ist Jahrgang 1991, ein Jahr später kam das Aus für den Starschnitt als regelmäßige Beilage.
 

Wandel

 
Erst beim Blick ins Archiv erinnerte sich 1996 der damalige "Bravo"-Chefredakteur Gerald Büchelmaier, dass er selbst das einstige Markenzeichen aus dem Blatt gekippt hatte. "Die Jugend hat sich einfach verändert - sie will alles, und sie will es gleich", sagte er damals. "Das Warten war grauenvoll", bestätigt Junge gut 20 Jahre später. "Das kann ich als Sammler sagen. Manchmal musste man Monate warten." Am längsten mussten die Fans von November 1965 bis August 1966 für den Starschnitt der Beatles warten, sammeln, schnippeln und kleben, es waren 44 Teile in 39 Heften. Einst als Eintrittskarte in die Welt des Glamour unentbehrlich, hat die "Bravo" heute nur noch gut 120.000 Auflage. Der Verlag verweist dabei auf moderne Kommunikationswege jenseits der gedruckten Hefte. "BRAVO ist die stärkste deutsche Printmedien-Marke in den sozialen Medien und hat die mit Abstand meisten Follower in den für die junge Zielgruppe relevanten Kanälen wie Instagram, Snapchat, Musical.ly, Twitter und WhatsApp", sagt eine Sprecherin der Bauer Media Group in Hamburg. Doch der Starschnitt an der Wand ist etwas Anderes, wie manch Besucher der Ausstellung merkt. "Ich habe hier wirklich eine Überraschung erlebt", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil vor einigen Tagen nach einer Kabinettssitzung in den Räumen der Ausstellung. Diese habe ihn um Jahrzehnte jünger gemacht, sagte der SPD-Politiker anschließend RTL Nord. "Ich sehe hier Stars von früher, die habe ich jahrzehntelang gar nicht mehr im Hinterkopf gehabt. Das macht einen unheimlichen Spaß." Da ist er nicht allein. "Die Leute gehen hier so gut gelaunt heraus - das ist eine Freude", sagt Kuratorin Karcher.
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