Neu: "Ein gutes Herz"

De Winter packt ein heißes Eisen an

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Roman über Terror: Staatsoper in die Luft gesprengt und Flugzeug entführt.

Der niederländische Autor Leon de Winter, Sohn orthodoxer Juden, packt gerne heiße Eisen an und provoziert damit Diskussionen. In seinem letzten Roman, Recht auf Rückkehr, schilderte er ein in der nahen Zukunft auf das Stadtgebiet von Tel Aviv geschrumpftes Israel, umzingelt von feindlichen Gruppierungen, das sich nur noch mittels Gen-Checks an den Grenzen vor Kindesentführern und radikal-muslimischen Selbstmordattentätern schützen kann.

Leon de Winter lebt in Amsterdam und L. A.
Auch in seinem neuen Roman Ein gutes Herz, der am kommenden Mittwoch bei Diogenes erscheint, befasst sich der in Amsterdam und Los Angeles lebende Schriftsteller mit religiösem Fundamentalismus. Unter anderem. So steigt er mit einem der dramatischsten Attentate in der neueren niederländischen Geschichte ein: dem Mord an dem provokanten holländischen Filmemacher – und Intimfeind Leon de Winters – Theo van Gogh, der gegen die Unterminierung westlich-aufklärerischer Werte durch die multikulturelle Gesellschaft wetterte. Van Gogh wurde auf offener Straße von Mohammed Bouyeri beschossen; anschließend schnitt dieser seinem ­Opfer die Kehle durch und heftete ein Bekennerschreiben an seine Brust.

Theo van Gogh "lebt" 
im Himmel weiter
In de Winters Roman „lebt“ Van Gogh weiter, und zwar im Himmel. Einer Art Himmel. Er vegetiert in einem wenig erquicklichen Fegefeuer, bekommt Zigaretten und Whisky, so viel er will, muss sich aber verpflichten, temporär als Schutzengel zu fungieren. Und zwar für den reichen und einflussreichen jüdischen Ex-Kriminellen Max Kohn. Auch dieser spielt eine wesentliche Rolle in Ein gutes Herz. Immerhin die titelspendende Rolle. Denn Kohn empfing nach mehreren Herzattacken ein Spenderherz von dem verstorbenen Franziskanerpater James Davis. Und dieser fungiert – im Himmel – als geistiger Coach von Theo van Gogh.

Im Übrigen war James zu Lebzeiten einer der vielen Lover von Kohns exzentrischer Ex-Geliebter Sonja. Die später die Geliebte von Leon de Winter wurde – ja, auch der Autor selbst kommt in dem Roman großflächig vor! Und über Sonja, die ihren ehemals dämonischen Ex-Geliebten mittlerweile fürchtet und hasst, lernten einander auch Kohn und de Winter kennen.

Physik und Metaphysik werden verschränkt
Kompliziert? Konstruiert? Leon de Winter macht es sichtlich Freude, in seinem neuen Roman Facts und Fiction, die Biografien realer und erfundener Figuren, Physik und Metaphysik zu kreuzen. Und meistens – abgesehen von einzelnen Passagen, die irgendwie im Plauderton zu verebben drohen – macht dieser Mix auch beim Lesen Spaß.

Apropos Max Kohn: Der hatte einen marokkanischen Leibwächter, Kichie Ouaziz, der – weil er mehrere Feinde seines Brotgebers tötete – im gleichen Gefängnis wie Bouyeri einsitzt. Der Sohn von Kichie, Sallie Ouaziz, ist ein talentierter Jungkicker und fanatischer Moslem. Und als die Staatsoper in Amsterdam in die Luft fliegt und anschließend ein Flugzeug von Terroristen gekapert wird – und sowohl Bouyeri als auch Kichie freigepresst werden sollen –, fällt der Verdacht der Polizei schnell auf Sallie.

Leon de Winters auto­biografischster Roman
Ein gutes Herz ist trotz aller Fiction Leon de Winters bisher autobiografischster Roman. Man wird über ihn reden.

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