Vertragsbruch?

Der Festspiel-Krach um Jürgen Flimm

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Jürgen Flimm will die Salzburger Festspiele aufgeben und ist in die Intendanz der Berliner Staatsoper – ab sofort – eingebunden.

Die Ereignisse überstürzen sich. Am Wochenende waren die Aussagen noch vorsichtig. „Flimm will nach Berlin“ titelte ÖSTERREICH. Schon Montag wurde die Meldung bestätigt: Jürgen Flimm übernimmt ab 1. September 2010 die ­Intendanz der Berliner Staatsoper, obwohl er bis 2011 vertraglich in gleicher Funktion an die Salzburger Festspiele gebunden ist.

Vorzeitig
Dienstag wurde bekannt, dass Flimm den Vorsitzenden des Salzburger Kuratoriums, Vizebürgermeister Wilfried Haslauer, brieflich um vorzeitige Entlassung aus seinem Salzburger Vertrag ersucht hat. Flimm soll schon ab 1. Jänner 2009 (!) der Berliner Staatsoper konsultativ zur Verfügung stehen und ab sofort „gemeinsam mit dem amtierenden kommissarischen Leiter die Planung der nächsten Jahre vorbereiten“, meint Berlins Bürgermeister und Kultursenator Klaus Wowereit.

Staunen
Dazu Haslauer: „Ich bin schon sehr erstaunt, dass wir vom Berliner Vertragsabschluss aus der Presse erfahren müssen. Wir werden im Kuratorium die Entscheidung zu treffen haben wegen der weiteren Vorgangsweise.“

Heftig
Heftiger reagiert Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden: „Flimm hat einen gültigen Vertrag bis 2011. Wenn er den nicht erfüllt, muss er sich rechtlich mit uns auseinandersetzen.“

Peter Radel, ebenso wie Schaden Kuratoriumsmitglied, hält Flimms Vorgehen „für einen Vertragsbruch mit rechtlichen Folgen“. Denn der Intendant dürfe „außerhalb der Festspiele nur einzelne Werke inszenieren oder bearbeiten“. Das Festspiel-Kuratorium muss jedenfalls so schnell wie möglich die Flimm-Nachfolge klären.

Freund
Jürgen Flimm selbst äußerte sich Montag bei einer Pressekonferenz in Berlin, er habe mit seinem „Freund Barenboim in New York eine ganze Nacht lang über die Aufgabe diskutiert. Mich reizt die Arbeit in Berlin, denn ich bin noch nicht so weit, mich auf einer Parkbank niederzulassen.“ Barenboim bekräftigte: „Mit Flimm verbindet mich Freundschaft und das Bestreben nach Qualität sowie die unkonventionelle Art, wie er das Musiktheater versteht.“

Die Kommentare der deutschen Presse sind unterschiedlich. Der Tagesspiegel meint, man dürfe „Flimm die an sich unmögliche Aufgabe zutrauen, unter Barenboim den Intendanten zu spielen“. Die Süddeutsche kommentiert: „Wir wissen nicht, ob Flimm jemals ein Vulkan war. Als sicher kann gelten, dass er schon erloschen ist.“ Und die Welt vertritt die Meinung, in der Berliner Opernszene mit ihren rückläufigen Besucherzahlen ginge es „ums nackte Überleben, und dafür ist Jürgen Flimm, den man in Salzburg bei den Festspielen offenbar nicht mehr haben will, der richtige Sozi-Mann“.

Foto: (c) AP

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