Volksmusik im ORF

Der Stadl-Kult

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Am Samstag gastiert der Musikantenstadl in Tulln. Und: Die TV-Krise der Volksmusik.

Schunkeln gegen die Krise, Festzeltstimmung gegen Raunzertum. Während TV-Macher allerorts vor Sparpaketen bibbern, stellt sich Musikantenstadl-Mann Andy Borg (48) mit einem Lächeln. "Das Zittern habe ich mir abgewöhnt", sagt der Showmaster, der die mit Abstand quotenträchtigste ORF-Volksmusikshow (bis zu 739. 000 Seher) seit Herbst 2006 moderiert. "Der Stadl ist genau meines, ich mache ihn irrsinnig gern. Aber wenn es ihn irgendwann nicht mehr gibt, singe ich eben im Festzelt in Stockerau."

Indianisches Heimspiel in Tulln
Bevor der zweifache Vater - Jasmin (22), Patrick (18) - an theoretische Alternativen zu seiner Erfolgsshow denkt, spielt er am Samstag (ORF 2, 20. 15 Uhr) aber erstmal in Tulln sein Quasi-Heimspiel. "Mein Bruder und ich sind dort aufgewachsen, meine Eltern haben sich in Tulln an der Donau zum ersten Mal geküsst", sinniert er in TV-AUSTRIA schmunzelnd über den nächsten Stadl-Austragungsort. Und freut sich auf Original-Winnetou Pierre Brice, mit dem er ein Duett singen wird: "Winnetou ist mein Held aus Kindertagen, meine erste Lektüre nach den Fix & Foxi-Heften."

800. 000 Euro pro Show
Eine Musikantenstadl-Livesendung ist nicht billig: 800. 000 Euro kostet eine Show. Mehr als die Hälfte davon zahlt die ARD, den Restbetrag teilen sich ORF und SF. Neben der Gage für den Moderator und die Aufwandsentschädigung für seine Künstler - dank enormem Werbeeffekt gibt es für DJ Ötzi und Co. in Wetten dass...? -Manier nur Mini-Löhne - schlagen in der Drei-Länder-Produktion vor allem Technik und Aufbau teuer zu Buche: 110 Mitarbeiter für Bühnenbau,

Beleuchtung, Technik, Maske und Redaktion sind für die Tullner Musikantenstadl-Show im Einsatz. Die ersten legen bereits sechs Tage vor Showstart los. Und auch die technischen Zahlen rund um die Nummer Eins der ORF-Volksmusiksendungen sind beeindruckend: 8. 500 Meter Kabel durchziehen am Samstag die Tullner Messehalle, 33 Container für Dekoration, Bild und Ton umstellen das Gelände. Im Studio rücken 610 Scheinwerfer, acht Kameras und ein Kran Borg und seine Showstars ins rechte Licht.

ORF: Kein Schmalspur-"Stadl"
Kosten, die angesichts von Wirtschaftskrise und ORF-Sparparket bald der Vergangenheit angehören? ORF-Unterhaltungschef Edgar Böhm dementiert in TV-AUSTRIA kolportierte Schmalspur-Varianten. "Das Programm des Musikantenstadl wird nicht reduziert. Er wird weiterhin in dem Standard gesendet, der zwischen den beteiligten Ländern vereinbart wurde." Und auch Borg, für den Ehefrau Birgit in wirtschaftlichen Belangen die Fäden zieht, ist optimistisch: "Eigene Produktionen kosten eben. Aber die Österreicher zahlen ja Fernsehgebühr. Da sollte man anständige Shows produzieren."

"Servus, Hansi" abgesetzt
Ob Borgs Kollegen Carmen Nebel, Franz Posch (Mei liabste Weis) und Co. stattdessen Bildschirm-Federn lassen müssen, wird derzeit hinter verschlossenen Türen heiß debattiert. Servus, Hansi Hinterseer wurde trotz 649. 000 Sehern bereits im Herbst zu Grabe getragen, das kultige Kitzbühel-Open Air bleibt jedoch fix im Programm.

Weitere Kürzungen schließen die TV-Anstalten offiziell (noch) aus. "Derzeit sind keine Einsparungen bei den Shows geplant", heißt es etwa bei Carmen Nebels Heimsender ZDF. Wie es 2010 aussieht, steht freilich auf einem anderen Blatt. Borgs "Stadl" sticht in See. Geringere Budgets hin oder her suchen sich die Volksmusikanten schon jetzt zusätzliche Brötchenjobs. So sticht etwa Andy Borg von 10. bis 18. Oktober mit dem Kreuzfahrtsschiff in See. "Mitgefangen, mitgehangen", scherzt der Stadl-Mann über seine Schiffstaufe. "Wenn das, was ich mache, den Leuten nicht gefällt, bleiben mir nur die Rettungswesten."

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