Löbl-Kritik

Junger Maestro macht Alltag zur Premiere

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Das Sensationsdebüt von Andris Nelsons in der Wiener Staatsoper. Eine Kritik von Karl Löbl.

Hochspannung in der Wiener Staatsoper: Ein neuer Dirigent macht bei „Pique Dame“ den Alltag zur Premiere.

Debüt
Schon nach ein paar Minuten war klar: Das wird keine normale Repertoirevorstellung. Andris Nelsons (30) kommt aus Riga, war dort Trompeter in der Oper, auch Sänger, studierte dann bei Mariss Jansons in Petersburg. Mit 25 war Nelsons Musikchef der Lettischen Nationaloper, ab Herbst ist er Chefdirigent in Birmingham. Jetzt debütierte er in der Wiener Staatsoper mit Tschaikowskys Pique Dame als Einspringer für Ozawa.

Nelsons hat eine gleichsam sprechende Schlagtechnik. Er formt musika­lische Phrasen, suggeriert Nuancen, hält Orchester und Bühne zusammen und in steter Spannung, modelliert zuweilen Ensembles, ist einen ganzen Abend lang auch körperlich im Total­einsatz. Man spürt und hört, dass Musik seine Leidenschaft ist. Als Dirigent ist er Partner der Solisten, des Chores, des Orchesters, das sich nach nur einer Probe von Nelsons’ Spannung und Detailverliebtheit anstecken ließ.

Bestform
Auf der Bühne ein Ensemble in Bestform (Elisabeth Kulman, Laura Tatulescu, die Herren Dohmen, Daniel, Jelosits, Simic). Martina Serafin ist als Lisa stimmlich doch etwa zu hart und scharf, Anja ­Silja (Gräfin) grandios in Ausdruck, Nuancierung und Szenendominanz.

Neu Marian Talaba (der im Herbst statt Shicoff die Generalprobe gesungen hatte) als Hermann. Er spielt den Außenseiter, der sein Glück erzwingen will, mit einer großen Natürlichkeit, mit Intensität und ohne die aufdringliche Nervosität seines Rollenvorgängers, dem er stimmlich und in der Textdeutlichkeit überlegen ist.

Ein Staatsopernabend mit Premierenniveau
Dass dies im Alltag möglich ist, macht der Direktion Ehre. Das Publikum schien zu spüren, dass sich Besonderes ereignete.

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