Erste Kritik

Reigen-Premiere: Mal beklemmend, mal komisch

Teilen

Gestern hatte in den Kammerspielen Schnitzlers „Reigen“ mit Herbert Föttinger und Sandra Cervik Premiere.

Es gluckst, plätschert und sprudelt. Links und rechts sind Schilder: „Herren“ und „Damen“. Die Liebe spielt sich in Stephanie Mohrs glasklarer Inszenierung des Schnitzler’schen Reigen zwischen öffentlichen Klos ab.

Bisweilen verwandelt sich die kluge Bühne von Miriam Busch, über der zwei kühl vor sich hin flimmernde Fernsehmonitore schweben, auch ins Ambiente einer Peepshow oder einer namenlosen Disco.

Dem Autor des ehemals als „Skandalstück“ verrufenen Reigen hätte das vielleicht gefallen, handelt dieser doch weniger von Beziehungen als von Beziehungslosigkeiten zufällig beim Sex zusammengewürfelter und „danach“ einander wieder fliehender Paare und Passanten.

Man kennt sie aus früheren Reigen-Produktionen: den Macho-Soldaten und den verzogenen jungen Herrn und das süße Mädel und die verheiratete Dame und die extravagante Schauspielerin und den verkommenen Grafen ...

Sie alle werden in den Kammerspielen von nur zwei Schauspielern dargestellt: Herbert Föttinger agiert in allen männlichen Parts; seine Ehefrau Sandra Cervik in den weiblichen.

Phänomenal
Und sie sind wirklich phänomenal in der Verkörperung der Liebeskrüppel samt ihren patscherten, feigen, verlogenen, verklemmten, menschenverachtenden Aktionen „davor“ und „danach“.

Was bisweilen ganz schön beklemmend wirkt, wie eine Laboranalyse des vertrackten menschlichen Paarungsverhaltens. Dann aber auch immer wieder sehr komisch wird: Wenn etwa der tölpelhafte junge Herr die verheiratete Dame erst aus mehreren Schichten von Schleiern herausschälen muss, in die sie sich zur Wahrung ihres Inkognitos gehüllt hat.

Dass man als Zuschauer dieses eigenwilligen Reigen die Umzüge der beiden Akteure kaum bemerkt und die Rollenwechsel als völlig „normal“ empfindet, spricht für die Perfektion, mit der das Josefstadt-Couple aufeinander eingespielt ist.

Ich bin mir nicht sicher, ob zwei nicht privat miteinander vertraute Schauspieler die Aufführung mit ähnlicher Intensität zu bewerkstelligen imstande wären.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.