Interview

Kdolsky rechnet mit der Politik ab

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Ex-Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky zieht Im Interview mit ÖSTERREICH erstmals Bilanz über ihre poltische Tätigkeit.

Es waren zwei schwierige Jahre für die Niederösterreicherin Andrea Kdolsky. Als sie am 11. Jänner 2006 zur Gesundheitsministerin angelobt wurde, eroberte sie zuerst die Herzen der Österreicher durch ihre erfrischende, unkonventionelle Art im Sturm.

Doch dann kam der Absturz: Im Dezember schied Kdolsky aus dem Amt – in allen Umfragen war sie zu diesem Zeitpunkt zur unbeliebtesten Ministerin geworden: Turbulentes Privatleben samt Party-Image, umstrittenes Raucher-Gesetz und ihr Kampf mit der Ärzteschaft hatten sie zur Buh-Frau der Nation gemacht.

Privates Glück
Im Interview mit ÖSTERREICH präsentiert sich die quirlige studierte Ärztin voll Elan, braun gebrannt und strahlend. Denn privat ist sie allen Unkenrufen zum Trotz mit ÖBB-Manager Philipp Ita im Glück und genoss mit ihm gemeinsam den freien Dezember und Advent auf Itas Anwesen im Niederösterreichischen Ardagger beim Kekserl backen.

Polit-Abrechnung
Mit der aktiven Politik hat Kdolsky hingegen ein für alle Mal abgeschlossen. „Geläutert“ nach zwei Jahren in der Bundespolitik prangert die Ex-Ministerin im Interview mit ÖSTERREICH (siehe rechts) an, „dass in der Bundespolitik nicht die Frage entscheidet, ob etwas gescheit ist, sondern ob etwas ideologisch vertretbar ist“. Erstmals musste sie erfahren, dass Frauen in der Politik weitaus strenger bewertet werden als ihre männlichen Kollegen.

Ihrem Nachfolger als Gesundheitsminister, Alois Stöger, wünscht die Ministerin „viel Kraft“ für seine Aufgaben und für ein Ressort, das ihrer Meinung nach mit weitaus mehr Kompetenzen als bisher ausgestattet werden muss, um effizient arbeiten zu können.

Jobsuche
Fakt ist: Für Andrea Kdolsky könnte 2009 erneut ein sehr schwieriges Jahr werden. Denn die Ex-Ministerin ist nach wie vor auf der Suche nach einem Job.

Im Interview erklärt sie, wie schwierig es für eine Ex-Politikerin ist, in der Wirtschaft wieder Fuß zu fassen und dass sie – wie jeder andere Österreicher auf Jobsuche – Bewerbungsbriefe schreibt.

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ÖSTERREICH: Wie haben Sie nach fast zwei Jahren als Ministerin den Schritt zurück ins Leben ohne Politik verkraftet?

Andrea Kdolsky: Es geht mir gut. Ich bin voll Energie und habe den Dezember und den Advent sehr genossen. Erstmals hatte ich sogar Zeit, um Kekse zu backen.

ÖSTERREICH: Wie geht es beruflich bei Ihnen weiter?

Kdolsky: In Österreich ist es leider so – anders als in den USA –, dass es für Politiker schwer ist, nach Beendigung ihres politischen Engagements in der Wirtschaft Fuß zu fassen. Für Menschen, die in die Politik gehen, dort demontiert werden, schlecht gemacht werden und die Punze des Politikers aufgeklebt bekommen, ist es oft schwieriger, einen Job zu finden.

ÖSTERREICH: Sie haben noch keinen Job gefunden?

Kdolsky: Nein. Für mich ist jetzt die Zeit des Bewerbens. Manche stellen sich vor, dass bei einer Ex-Ministerin die Leute Schlange stehen und sich um ihre Expertise reißen. Das Problem ist aber: Für einen untergeordneten Job kommt man nicht in Frage, weil es viele unangenehm finden, eine Ex-Ministerin als Mitarbeiterin zu haben. Und Leitungsjobs gibt es nicht so viele. Ich mache es nun so, wie es andere auch machen: Man schreibt Bewerbungsbriefe, den Lebenslauf und geht zu Head Huntern. Ein halbes Jahr braucht man jedenfalls, um wieder einen Job zu finden. Ich verstehe auch die Kritik nicht, dass für Minister ein halbes Jahr 75 % des Gehalts weitergezahlt werden. Denn man findet nicht von heute auf morgen einen Job.

ÖSTERREICH: Möchten Sie wieder als Ärztin arbeiten?

Kdolsky: Nein. Ich möchte in dem Bereich tätig sein, in dem ich glaube, am besten qualifiziert zu sein: Im Qualitäts- und Gesundheitsmanagement.

ÖSTERREICH: Haben Sie sich bei der WHO beworben?

Kdolsky: Ich habe meine Bewerbung abgegeben, im September wird entschieden, ob der WHO-Job für Europa im Februar 2010 mit einem Österreicher nachbesetzt wird. Die Chance liegt also bei maximal zehn Prozent, diesen Job zu bekommen.

ÖSTERREICH: Wie geht es Ihnen, wenn Sie heute die Zeitungen lesen und das Raucher-Thema ist so aktuell und umstritten wie nie zuvor?

Kdolsky: Ich muss zu meiner Schande sagen, dass ich längere Zeit – quasi aus Selbstschutz – keine Zeitungen gelesen habe. Denn es gab ja weiterhin viele Seitenhiebe gegen mich. Aber im Prinzip ist es wie im Film „Täglich grüßt das Murmeltier“. Gewisse Themen wie das Rauchen kommen immer wieder. Da lehne ich mich zurück und denke mir: Der arme Alois Stöger. Ich wünsche ihm viel Kraft. Beim Raucherthema finde ich es allerdings mehr als interessant, dass nun Gabi Burgstaller plötzlich ein schärferes Gesetz will. Und das, obwohl sie es einst im Regierungsprogramm mitverhandelt hat – anders als ich, denn ich bin erst danach in die Regierung gekommen.

ÖSTERREICH: Mit welchen Gefühlen blicken Sie auf Ihren Job als Gesundheitsministerin zurück?

Kdolsky: Ich war sehr gerne Gesundheitsministerin und bereue es keinen Tag. Aber für mich wurde klar: Das Ressort braucht mehr Kompetenzen. Denn der Gesundheitsminister – also auch mein Nachfolger – kann einzig im Rahmen der Impfprogramme Entscheidungen treffen. So traurig das auch klingt. Man kann eigentlich nichts steuern, entweder sind die Länder oder die Spitäler oder andere Ministerien mit zuständig, aber nie der Minister direkt. Also, man muss das Ministerium aufwerten, denn es ist nicht zielführend, dass der Gesundheitsminister in Wahrheit nichts bewegen kann, aber für alles verantwortlich gemacht wird. Schade, dass sich hier nichts geändert hat. Ein zweifellos gut bezahlter Buhmann zu sein, ist nicht jedermanns Jobwunsch.

ÖSTERREICH: Waren Sie überrascht, wie in der Politik gearbeitet wird?

Kdolsky: Ich bin ja nicht völlig naiv in die Politik gegangen und war zuvor im politik-nahen Bereich tätig. Aber für mich ist die Sachpolitik im Vordergrund gestanden. In der Bundespolitik habe ich erstmals gemerkt, dass die Ideologie im Vordergrund steht. Das habe ich unterschätzt. Denn es geht in der Bundespolitik nicht um die Frage, ob etwas gescheit ist, sondern ob etwas ideologisch vertretbar ist.

ÖSTERREICH: Hat man es als Frau und Quereinsteigerin ­besonders schwer?

Kdolsky: Ja. Und es hat mich enttäuscht und erschreckt, dass hier in der Politik ein derartiger Unterschied zwischen Frauen und Männern gemacht wird. Frauen können dreimal so hart arbeiten und es wird nicht gesehen. Beurteilt wird die Optik, die Frisur, die Kleidung. Aber ich bin doch nicht als Model angelobt worden, sondern als Fachexpertin im Gesundheitswesen. Aber geredet wurde über mein Dekolleté, über die Kleidergröße und ob ich mit dem falschen Kleid am Philharmonikerball war. Ich weiß nicht, ob jemals jemand darüber diskutierte, ob ein Mann eine Woche lang die Krawatte nicht gewechselt hat.

ÖSTERREICH: Sind Sie Ihren Job mit zu viel Lebensfreude angegangen?

Kdolsky: So bin ich doch. Ich habe alle meine Jobs mit Lebensfreude gemacht. Aber ab einem gewissen Zeitpunkt wurde ich nur mehr als „Party-Ministerin“ dargestellt, auch wenn das jeglicher Realität entbehrt. Denn ich meide Partys, weil es dort laut und oberflächlich ist und man nicht reden kann. Ich bin auch nicht wie andere Politiker auf zig Bälle pro Saison gegangen, sondern nur auf drei. Und ich war auch nie auf Weinverkostungen oder bei Eröffnungen und Events. Aber plötzlich wurde aus einem Hype um mich das Gegenteil, ich wurde in den Umfragen zur unbeliebtesten ­Ministerin. Da habe ich natürlich begonnen, zu zweifeln. Am Amt, am Job. Aber letztlich war mir eines wichtig: Ich bin ich. Das Lied der Gruppe Rosenstolz „Ich bin ich“ war für mich während meiner zwei Jahre als Ministerin meine Hymne. Es ist mir wichtig, dass ich mich nicht verbogen habe. Ich habe viel gelernt und ich habe viele Weichen gestellt. Und ich bin zufrieden mit dem, was rausgekommen ist. Persönlich bin ich aber geläutert durch diese zwei Jahre in der Politik.

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