Beichte

Waris Dirie: "Ja, ich bin alkoholkrank"

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Das Wilde Leben der Waris Dirie: Vom Topmodel zum Suchtopfer

Waris Dirie – seit 24 Jahren führt sie ein Leben wie auf einer Hochschaubahn. Als Fotomodel schafft sie es (nach abenteuerlicher Flucht vor einer Zwangsheirat aus Somalia) in London und Paris bis ganz oben, lernt Clinton und Gorbatschow kennen, feiert mit Paul McCartney, wird UN-Botschafterin. Ein schrilles Leben (beschrieben im Bestseller „Wüstenblume“), aber in ihrer Seele sind schwere Kratzer. „Ich bin eine Nomadin“, sagt sie. „Aber ich ziehe nicht aus freien Stücken durch die Welt.“

Ihr Nomadenleben: Seit vier Jahren lebt Waris in Wien (Staatsbürgerschaft im März 2005), hat eine Vier-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Donaukanals. Sehr spärlich eingerichtet, den einzigen Schrank (in dem H&M-Shirts neben Westwood-Couture hängen) hat sie von der Vormieterin übernommen. Als ihre Mutter 2005 zu Besuch ist, schläft die ganze Familie auf Matratzen am Boden.

Nach Österreich kam ­Waris Dirie (42 Jahre alt, ihr ­exaktes Geburtsdatum kennt sie selbst nicht) wenig freiwillig. Sie wohnte mit Sohn Aleeke (lebt heute bei seinem Vater in New York) in Cardiff, ­Irland. Aber ein Stalker verfolgte sie, trat die Wohnungstür ein. Wien schien ein ­sicherer Hafen (Irrtum, denn der Stalker folgte ihr, wurde schließlich ausgewiesen).

Alkohol
Das echte Problem der Wüstenblume: Alkohol. Mit 18 kam sie das erste Mal in Kontakt mit „bad water“ (so nennt sie Schnaps & Co.). Ein Fotograf bietet der Muslimin Champagner an, um sie locker zu machen. Auf einer Party (sie kommt mit Naomi Campbell) trinkt sie Erdbeersaft, ohne zu wissen, dass Alkohol drinnen ist. Eine Spirale beginnt: Abstürze, Entzug. Sie merkt, dass die Droge ihre ­Regelschmerzen betäubt, die höllisch sind, da sie mit fünf genitalverstümmelt wurde – und trinkt immer heftiger.

Ihre Suff-Crashes sind global. In L. A. wacht sie nach zwei Tagen Koma auf, in Wien geht sie nach Kalksburg auf Entgiftung. Vor Interviews mit Journalisten fährt sie zum Flughafen, um ihnen glaubhaft zu machen, sie käme gerade aus dem Ausland.

Geständnis
Und immer wieder ist sie weg. Einfach verschwunden. Tagelang, ­eine Woche. Dann steht sie plötzlich in der Tür. Nur mit den Kleidern am Leib. Handy, Geld, Erinnerungen – alles weg. In München ist sie eine Woche verschollen, am Flug zum Sohn in die USA geht sie in London verloren, in Südafrika (hier hat sie ein Haus), taucht sie zwei Wochen unter. „Ich bin alkoholkrank“, gesteht sie im neuen Buch „Brief an meine Mutter“. „Seit vielen Jahren versucht der Teufel, Besitz von mir zu ergreifen.“

Und: „Das ist das Verfluchte am Alkohol. Er stellt dich jeden Tag auf die Probe. Dein ganzes Leben lang.“

Die wilden Nächte in Brüssel. Auch vor diesem Hintergrund muss man das alles ein bisschen sehen.

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