"Fiel schon öfters ins Koma". Isabella Caro ist am Plakat der Anorexie-Kampagne zu sehen. Und gibt ein schockierendes Interview.
Der italienische Starfotograf Oliviero Toscani startete eine Aufreger-Kampagne zur Bekämpfung von Magersucht. Die Kampagne "No Anorexia", die vom italienischen Gesundheitsministerium unterstützt wird, zeigt schockierende Bilder einer magersüchtigen Frau, die nackt und mit verlorenem Blick in die Kamera schaut. Isabelle Caro leidet seit 15 Jahren an Magersucht wiegt nur noch 31 Kilo. Der Schweizer Onlinedienst Blick veröffentlichte jetzt ein Interview mit der Anorexie-Kranken....
Warum haben Sie nackt für diese Werbekampagne posiert?
ISABELLE
CARO: Die jungen Frauen und die Modewelt müssen erkennen, wohin der
Schlankheitswahn führt: Magersucht kann tödlich enden. Darum sollen mich
alle Menschen anschauen.
Hatten Sie keine Angst, nackt zu posieren?
Doch. Denn ich hasse
meinen Körper. Es gibt nichts Schlimmeres für eine Magersüchtige, als sich
nackt zu zeigen. Erst vor einigen Monaten habe ich realisiert, wie dünn ich
war. Damals wog ich noch 25 Kilogramm.
Wie konnte es so weit kommen?
Ich hatte eine schwierige,
traumatische Kindheit.
Was war passiert?
Es bereitet mir bis heute Mühe, darüber zu
sprechen. Meine Mutter wollte, dass ich ihr kleines Mädchen bleibe. Also
beschloss ich mit 13 Jahren, nicht mehr zu essen. Anfangs merkte ich nicht,
was mit mir passierte. Ich war euphorisch. Mit der Zeit geriet ich aber
immer mehr in einen Teufelskreis, ich nenne diesen Zustand die Todesspirale.
Sie sind fast gestorben?
Ich fiel schon mehrmals ins Koma.
Einmal sah ich mich bereits auf der anderen Seite. Das war der Moment, als
ich mich entschied, den Weg zurück ins Leben zu gehen.
Sie ließen sich ins Spital einweisen?
Ja. Aber dort werden
meist nur die Symptome behandelt, nicht aber die seelische Krankheit. Eine
Gewichtszunahme wird mit künstlicher Ernährung erzwungen. Ich fühlte mich
dabei wie vergewaltigt. Die Leute haben Vorurteile: Viele glauben, dass man
einfach nur ein komplizierter Mensch ist, wenn man Essen verweigert. Das
gibt zusätzlich Schuldgefühle.
Glauben Sie, dass Ihre Bilder eine vorbeugende Wirkung auf junge Frauen
haben?
Garantiert! Hätte ich als Teenager ein solches Bild gesehen,
wäre ich schockiert gewesen. Sicher hätte ich gedacht: Eine junge Frau mit
einem müden alten Körper – so will ich nicht aussehen.
Die Kampagne wurde in Frankreich verboten. Verstehen Sie warum?
Nein.
Und ich bin darüber sehr enttäuscht. Die Kampagne zeigt die Realität der
Modewelt. Ich trage die gleiche Kleidergrösse, wie die Designer von ihren
Models verlangen: unter 34. Designer sind verantwortungslos. Sie beuten
junge Frauen aus, die alles tun würden, um auf dem Laufsteg zu arbeiten. Es
ist skandalös und kriminell, wenn junge Frauen dazu ermutigt werden, nicht
mehr zu essen. Nur damit sie sich ihre Träume von extremer Dünnheit erfüllen
können. Magersucht ist eine Krankheit, kein Lifestyle!
Sind Sie immer noch krank?
Ich esse bis heute sehr wenig. Aber
es geht jeden Tag besser. Mittlerweile wiege ich schon 32 Kilo. Ich bin
überzeugt, dass ich es schaffen werde. Wie gesagt, ich habe mich fürs Leben
entschieden.
(Interview: Gwenaelle Trillat)