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Die strengste Mutter der Welt

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Zuckerbrot & Peitsche: Die Erziehungs-Regeln der strengsten Mutter der Welt.

Bei Freundinnen übernachten? Verboten. Kinderpartys besuchen? Never ever. Eine schlechtere als die Bestnote bekommen? Undenkbar. Das Erziehungsbuch von Amy Chua (48) sorgt weltweit für ein pädagogisches Erdbeben. Jetzt ist es auf Deutsch erschienen (40.000 verkaufte Bücher in fünf Tagen): "Die Mutter des Erfolgs – wie ich meinen Kindern das Siegen beibrachte" (Nagel & Kimche-Verlag, 19,90 Euro).

In dem Bestseller beschreibt die "Tiger"-Mutter, wie sie es geschafft hat, mit maximal Drill und minimal Liebe aus ihren beiden Töchtern Sophia (17) und Lulu (14) Musik-Wunderkinder zu schnitzen, die nebenbei in der Schule ausschließlich Bestnoten einfahren. Für Chua ist klar: Westliche Eltern sind viel zu weich, sorgen sich viel zu sehr um die Selbstachtung ihrer Kids und reden mittelmäßige Noten schön.

Überhaupt ist Mittelmaß Chuas Horrorvorstellung. Deshalb verfolgt sie ihr Erziehungskonzept mit paramilitärischen Methoden, zwingt die Kinder 6 Stunden pro Tag Geige & Co. zu üben. Die Dreijährige wird bei Ungehorsam und Minusgraden in den Schnee geschickt, weil sie sich weigert Klavier zu spielen.

Bemühte Krakel-Zeichnungen ihrer Kinder zum Geburtstag kommentiert sie mit: "Ich habe etwas Besseres verdient als das." Und "Du bist Müll" ist bei Chua kein Verbal-Ausrutscher, sondern Tagesordnung.

Chuas Drill hat freilich Kehrseiten: Tochter Lulu rebelliert gegen die Übermutter, zahlt ihr das rigide Erziehungsprogramm mit Hasstiraden heim. Dafür brilliert Tochter Sophia an der Carnegie-Hall. Und: Beide Töchter sind in der Klassik inzwischen Stars.

Seele leidet
Trotzdem sorgen die Methoden der US-Chinesin bei Experten und Eltern für Kopfschütteln. Beispiel Maya Hakvoort (44). Der Musical-Star legt naturgemäß auch viel Wert auf Musik-Erziehung, freilich mit anderen Methoden: "Ich habe ab meinem 8. Lebensjahr Klavier gelernt und dafür 2 bis 3 Mal pro Woche geübt. Mein Großer, Joshua ist jetzt 8 und lernt Gitarre. Er geht einmal in der Woche in den Unterricht, übt ca. 2 Mal pro Woche. Das genügt. Jason (1 1/2 Jahre) probiert Schlagzeug aus. Ich glaube, dass bei einer Erziehung wie im Buch die Seele leidet. Das alles erinnert an Michael Jackson!
 

Im Abdruck: Das steht im Erziehungs-Bestseller

Strenge Regeln
Zu Beginn des Buches legt Amy Chua ihre Erziehungsregeln offen – und die sind knallhart. Im Unterschied zur typischen westlichen Hausfrau und Mutter im Dauereinsatz für die Kinder ist die chinesische Mutter überzeugt, dass 1. Hausaufgaben grundsätzlich an erster Stelle stehen, 2. eine A minus eine schlechte Note ist, 3. ihre Kinder in Mathe den Mitschülern immer um zwei Jahre voraus sein müssen, 4. man die Kinder nie öffentlich loben darf, 5. man im Fall einer Meinungsverschiedenheit zwischen dem eigenen Kind und einem Lehrer oder Trainer immer die Partei des Lehrers oder Trainers ergreifen muss, 6. die einzigen Freizeitbeschäftigungen, die man den Kindern erlauben sollte, solche sind, die ihnen am Ende eine Medaille eintragen und 7. diese Medaille aus Gold sein muss.

Lulu wird an die Luft gesetzt

Dann schildert Amy, wie sie ihre Kinder erzieht. Etwa, wie sie Tochter Lulu vom Sinn des Klavierspielens überzeugt. Der Zeitpunkt erschien mir günstig, um Lulu mit mit dem Klavier bekannt zu machen. (…) aber Lulu wollte nicht (… ) eine Viertelstunde später brüllte, weinte und trat sie immer noch, und mir reichte es. Den strampelnden Füßen ausweichend, zerrte ich den kreischenden Dämon zur hinteren Verandatür und riss sie auf. Draußen herrschten sechs Grad unter null und mir brannte in der eiskalten Luft schon nach ein paar Sekunden das Gesicht. Aber ich war entschlossen, ein gehorsames, chinesisches Kind zu erziehen. Was Amy verblüffte: Lulu bleibt eisern im Freien. Lulus Zähne klapperten, aber sie schüttelte wieder den Kopf. Amy ändert die Taktik, holt ihr Mädchen rein, verhätschelt sie, wiegt sie in Sicherheit. Aber Lulu hatte auch mich unterschätzt. Ich rüstete neu auf. Die Fronten waren abgesteckt, nur wusste sie das noch nicht.

Lernen von China
In Kapitel 5 beschreibt Amy den Unterschied zwischen westlicher und chinesischer Erziehung. Einer meiner größten Ängste ist der Leistungsabfall von einer Generation zur nächsten. "Wohlstand überdauert keine drei Generationen", lautet eine alte, chinesische Weisheit.

Amy beschließt, ihre Kinder nicht westlich zu erziehen. ...nicht mit mir. Von dem Augenblick, als Sophia auf der Welt war und ich in ihr entzückendes, kluges Gesicht blickte, war ich entschlossen, es nicht so weit kommen zu lassen, kein verzärteltes, Ansprüche stellendes Kinds aufzuziehen. Ich war entschlossen, den Niedergang meiner Familie zu verhindern.

Drill ist Familien-Tradition
Auch Amy (ihrer Eltern wanderten aus China in die USA ein) wurde so erzogen. Zeugnisse mussten erstklassig sein. Während andere Kinder auch für eine B eine Belohnung erhielten, war bei uns zu Hause schon ein A minus undenkbar. In der achten Klasse wurde ich bei einem Geschichtswettbewerb Zweite und kam mit meiner Familie zur Preisverleihung. Jemand anderes hatte den Kiwanis-Preis als Jahrgangsbester in allen Fächern erhalten und nach der Feier sagte mein Vater zu mir: "Mach mir nie, nie wieder solche Schande."

Klavierstunde mit Sophia
Der Drill von Amy ist gnadenlos. (...) während ich sie beim Üben beobachtete, sagte ich zu ihr beispielsweise: 1. Oh mein Gott, du wirst immer nur schlechter und schlechter. 2. Ich zähle jetzt bis drei, dann erwarte ich Musikalität. 3. Wenn das beim nächsten Mal nicht perfekt ist, nehme ich dir sämtliche Stofftiere weg und verbrenne sie.

Lulu will nicht spielen

Die Kinder widersetzen sich, wollen nicht. Amy bekämpft ihre Widerstände. Wir arbeiteten eine Woche lang ununterbrochen daran, übten jede Hand einzeln, wieder und wieder. Aber sobald wir versuchten, die zwei Hände zusammenzubringen, verfiel immer die eine Hand in den Rhythmus der anderen, und mit dem Stück war es vorbei. Am Tag vor der nächsten Unterrichtsstunde verkündete Lulu schließlich erbittert, sie habe jetzt keine Lust mehr (...). Sie boxte, schlug und trat. Sie packte die Notenblätter und zerriss sie in Fetzen. Ich klebte die Noten wieder zusammen und schweißte sie in Plastik ein (...). Dann schleppte ich Lulus Puppenhaus ins Auto und teilte ihr mit, dass ich es Stück für Stück der Heilsarmee spenden würde, wenn sie den "Kleinen weißen Esel" nicht am nächsten Tag perfekt spielte. (...) Als sie immer noch falsch spielte, sagte ich (...) sie sei faul, feige, zimperlich und erbärmlich.

Üben in den Ferien

Geübt wurde immer, jeden Tag, auch im Urlaub. In Lulus Fall war der Transport kein Problem. Im Flugzeug war die Geige im Handgepäck und passte wunderbar ins Gepäckfach. Mit Sophia war es natürlich komplizierter. Wenn wir in den USA waren, genügten meist ein paar Anrufe. Interessanterweise strotzten amerikanische Hotels von Klavieren. (...) So hielten wir es überall. Im belgischen Löwen übten wir in einem ehemaligen Kloster. In einer anderen Stadt, deren Name mir entfallen ist, fanden wir ein spanisches Restaurant, das ein Klavier hatte und Sophia erlaubte, zwischen drei und fünf Uhr nachmittags zu üben, während das Personal den Boden wischte und die Tische für den Abend deckte. (...) Aber es lohnte sich. Zurück in New Haven, verblüfften Sophia und Lulu ihre Musiklehrer immer wieder mit den Fortschritten, die sie in den Ferien gemacht hatten. Kurz nach unserer Reise nach Xi‘an auf der ich Sophia zwang, bei Tagesanbruch zwei Stunden zu üben, bevor ich erlaubte, dass wir die achttausend lebensgroßen Terrakottakrieger besichtigten (...). gewann sie ihren zweiten Konzertwettbewerb.

Keine Geburtstagsgeschenke

Amy tadelt die westliche (Un-)Sitte, den Kindern falsche Gefühle vorzuspielen. Auf Drängen hin überreichte mir Lulu ihre Überraschung, die sich als Geburtstagskarte erwies. Genauer gesagt, als ein Stück Papier, das einmal schief gefaltet war; auf der Vorderseite prangte ein großes grinsendes Gesicht, und innen stand: "Alles Gute zum Geburtstag, Mama! Deine Lulu", mit Bleistift über ein zweites grinsendes Gesicht gekritzelt. Lulu konnte dafür nicht länger als zwanzig Sekunden gebraucht haben (...) Ich gab Lulu die Karte zurück. "Ich will das nicht", sagte ich. "Ich möchte eine schönere – eine, für die du dir wenigstens ein bisschen Mühe gegeben hast." (...) Ich holte mir die Karte zurück, drehte sie um, zog einen Stift aus der Handtasche und schmierte quer über die Rückseite: "Glückwunsch zum Geburtstag, Lulu, juche!" (...) Mit Schreck geweiteten Augen zog Sophia langsam ihre Karte hervor (...) Sie hatte ein paar Blumen gezeichnet und dazu geschrieben: "Ich hab dich lieb!" (...) "Das ist nett Sophia", sagte ich kalt, "aber auch nicht genug. Als ich so alt war wie du, habe ich meiner Mutter zum Geburtstag Gedichte geschrieben (...)."

Geigen-Stunden statt Schule
Am meisten hasste es Lulu, wenn ich sie, was häufig geschah, vorzeitig aus der Schule holte, um die eine oder andere Extrastunde Geige einzuschieben. Weil ich der Meinung war, dass an Lulus Schule viel Zeit vergeudet wurde, schrieb ich mehrmals in der Woche einen Kurzbrief an Lulus Lehrerin (...) und bat um Erlaubnis, sie während der Mittagspause oder der Turnstunde abzuholen (...) Um dieselbe Zeit begann Lulu mir zu widersprechen und mir vor den Augen meiner Eltern, wenn sie zu Besuch kamen, den Gehorsam zu verweigern. (...) in unserer Familie war das gleichbedeutend mit Tempelschändung.

Lulu will nicht mehr funktionieren

Ich drohte ihr mit der Adoption eines dritten Kindes aus China, das üben würde, wann ich es befahl, und vielleicht außer Geige und Klavier auch noch Cello spielte. "Wenn du achtzehn bist", schrie ich ihr nach, (...) darfst du alle Fehler machen (...). Aber bis dahin werde ich dich nicht aufgeben." "Ich wäre froh, wenn du mich endlich aufgeben würdest!" schrie Lulu zurück.

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