Das bunte Haus der Künstlerin

Homestory 35

Das bunte Haus der Künstlerin

Was haben ein altes Weinviertler Bauernhaus und die fremden Welten Zentral­asiens gemeinsam? Sie verbinden sich auf eine sehr gekonnte Art und Weise durch die Arbeit der Textilkünstlerin Lizzy Mayrl zu einem aufregenden Lebensraum – fremd, ungewöhnlich und faszinierend zugleich.

Schon die Einfahrt bricht mit allen altehrwürdigen Traditionen dieses Landstrichs in Niederösterreich. Statt eines ultramodernen Carport lädt ein überdimen­sionales überdachtes Bett auf einem Podest in den warmen Sommermonaten zum Verweilen ein. Auch hier dürfen die bunten Stoffe, Teppiche und Vorhänge der Künstlerin natürlich nicht fehlen, denn sie tragen wesentlich zum faszinierenden Flair bei. "Mein Zuhause muss flexibel sein, weil ich Wohnen und Arbeiten nicht trennen will", erklärt Lizzy Mayrl ihr ganz persönliches Wohncredo. "Zum Leben brauche ich ­einen besonders gefühlvollen Platz, an den ich mich zurückziehen kann." Diesen Denkansatz hat die Künstlerin bewundernswert in ihrem Haus umgesetzt. Überall finden sich gemütliche Ecken, kleine Sitzplätze – und natürlich immer wieder textile Kunstwerke.

Die Inspiration für diesen Wohnstil hat Lizzy Mayrl während ihrer Reisen im zentralasiatischen Raum bekommen: "Vor 20 Jahren bin ich das erste Mal in die Mongolei gefahren", erzählt sie, "und seit damals fasziniert mich diese für uns Mitteleuropäer so ungewöhnliche Welt." Kein Wunder also, dass sich diese Begeisterung auch nachhaltig auf die künstlerische Entwicklung ausgewirkt hat. Sogar zu Modemessen in Japan wurde und wird Lizzy ­Mayrl regelmäßig einge­laden. Ihr künstlerisches Thema ist und bleibt Stoff in all seinen Formen, Bearbeitungen und Ausführungen und reicht von ­Mode bis hin zu Objekten und Installationen.

Dabei bleibt ihr altes Bauernhaus trotzdem stets ihr zentraler Wohn- und Arbeitsmittelpunkt. "Ich versuche, beim Wohnen mit meinen Lebensinhalten so weit wie möglich konform zu gehen", sagt sie und will damit zum Ausdruck bringen, dass jeder Platz in ihrem Haus multifunktional ist. Da kann es schon passieren, dass sich je nach Lust und Laune Raumfunktio­nen ändern oder neu definiert werden. Ein klassisches Schlafzimmer, ein Wohnzimmer oder ein typisches Arbeitszimmer sucht man vergebens. Nur die Funktionsräume, wie Bad oder Küche, werden ­natürlich gemäß ihrer Bestimmung genutzt. Auch der alte Herd in der Küche zum Beispiel ist nicht nur hübsch anzusehen, sondern nur ein weiterer Beweis für dieses Einrichtungskonzept.

Lizzy Mayrl hat es ge­meistert, die Tradition des Bauernhauses mit den fremdländischen Kulturen zu verbinden. So wurden die alten Böden liebevoll restauriert und Fenster und Türen im Stil nicht ver­ändert. Nur das knallige Rot der Hausfassade gibt ­einen Hinweis, was sich im Inneren an Überraschungen verbirgt. Oft sind es nur ungewöhnliche Lampen, kleine Dekostücke von ihren Reisen oder farbenprächtige Bettüberwürfe, die den Besucher beeindrucken.

Sogar der kleine Garten im Innenhof kommt im Sommer in den Genuss, mit farbenprächtigen Stoffen dekoriert zu werden. Hier sitzt die Künstlerin dann gern auf ihrem Freisitz, um zu lesen, zu arbeiten oder einfach nur die Seele baumeln zu lassen. Farben spielen in diesem Haus überhaupt eine ganz besondere Rolle. Beinahe jeder Raum wurde in einem anderen Ton getüncht und verbindet sich, man will es kaum glauben, trotzdem mit den vielen weiteren Farben der Stoffe und Vorhänge. Wenn es für manch ­einen vielleicht einen Tick zu bunt erscheint, dann ist die Mischung für die Künstlerin gerade erst richtig.

Lizzy Mayrl braucht Farbe nicht nur für ihre Arbeit, sondern vor allem, um sich in ihren eigenen vier Wänden rundum wohlfühlen zu können. "Farbenvielfalt ist etwa in den zentralasiatischen Ländern ganz normal", erteilt sie den monochromen und spärlichen Designern der westlichen Welt eine klare Absage –und verfolgt mit großer Konsequenz ihren ganz eige­nen Weg. Diese Art des bewussten Sich-nicht-Anpassens spiegelt sich auch in der Einrichtung wider. Bunt zusammengewürfelt sind die Möbelteile in diesem Haus. Gut gelöst, denn die kleinen Räume des Hauses würden durch allzu wuchtige und schwere Möbel nur überladen und vollgestellt wirken. Klein und zierlich sind daher die Möbel – und leicht zu verschieben. "Große, teure Möbel habe ich mir nie angeschafft", sagt die Künstlerin. "Manches wurde mir geschenkt, habe ich im Trödel erstanden oder von meiner Familie übernommen."

Natürlich finden sich auch von den vielen Reisen kleine Erinnerungen – und nicht nur Stoffe: Teekannen, Geschirrteile und kleinere Kunstgegenstände sind liebevoll in den Räumen drapiert und tragen damit einmal mehr zum un­gewöhnlichen Charakter dieses Künstlerhauses bei.

Sicher, Lizzy Mayrls Bauernhaus ist kein aufwendig ­sanierter, repräsentativer Wohntempel, den Städter gern als Zweitwohnsitz auf dem Land unterhalten. Dieses Haus besticht jedoch durch eine besonders herzliche Wärme und durch die schillernde Persönlichkeit seiner Bewohnerin. Genau das will die Besitzerin auch erreichen und zitiert abschließend ein altes mongolisches Sprichwort: "Auch wenn eine Wohnung noch so voll ist, für einen weiteren Gast gibt es immer noch ein ­freies Platzerl …"

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