Öko-Musterstadt

Öko-Musterstadt

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Dieses Bauprojekt wird mittlerweile an allen Universitäten der Welt, an denen Architektur gelehrt wird, den Studenten als Lehrbeispiel gezeigt: 2007 beschloss die Stadt Wien, aus dem „Eurogate“ auf den ehemaligen Aspangbahngründen in Wien-Landstraße Europas größte Passivhaussiedlung zu machen.

Creme der Architekten am Werk
Einen ersten Entwurf für einen Masterplan hatte der britische Weltstar Sir Norman Foster vorgelegt. Auf dessen Basis kam es dann zu einem städtebaulichen Wettbewerb, den der Wiener Architekt Albert Wimmer gewann – und jetzt ist es so weit: In den nächsten Jahren wird auf sieben Bauplätzen, für die allesamt Top-Architekten kühne Wohnbauten entwarfen, eine riesige Umwelt-Mustersiedlung entstehen – alle Häuser entsprechen dem Passivhausstandard. Das heißt, dass der Heizwärmebedarf nicht höher als 15 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr sein darf.

Ein Drittel des Norm-Bedarfs
Damit werden die Bewohner von Eurogate nur ein Drittel des offiziellen Normbedarfs für geförderte Wohnbauten verbrauchen: Während bundesweit von Experten die Obergrenze von 52 Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr empfohlen wird, hat Wien hat für seinen „normalen“ Wohnbau übrigens schon vor zehn Jahren das Niedrigenergie-Haus zur ökologisch untersten Latte erklärt: In geförderten Wohnungen darf der Heizwärmebedarf 45 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter nicht überschreiten. Doch zurück zu Eurogate: Die Vielfalt der Technologien, die hier angewendet werden wird, um den Energieverbrauch zu reduzieren, ist beeindruckend: Dreifachverglasung, Fernwärme und Co. gehören zum Standard. Zusätzlich wird etwa Erdkühlung eingesetzt, um die sommerliche Überwärmung von Dachgeschoß-Zonen zu vermeiden.

Tetris
Das Projekt „Tetris“ von Albert Wimmer (Bild unten) verbraucht überhaupt nur sieben Kilowattstunden pro Quadratmeter und Jahr. Am Bauplatz sieben (großes Bild) punkten die Architekten Tillner und Willinger mit dezentraler, kontrollierter Raumlüftung mit Wärmerückgewinnung über Regenerativwärmetauscher. Statt Warmwasserspeichern gibt es energiesparende Plattenwärmetauscher.

Ökologisch und leistbar
Architekt Wimmer, mit Norman Foster „Mastermind“ von Eurogate, fasst diese neue Stadt in der Stadt, die auf 3,8 Hektar Grundfläche 740 Wohnungen im Passivhausstandard haben wird, so in Worte: „Mit Terrassenlandschaften, Arkaden und Höhenstaffelung nimmt die Bebauung die Topografie des Geländes auf. Locker gesetzte, gründurchlässige, teils aufgeständerte Baukörper schaffen eine übergeordnete, haltbare Struktur, die weite Blickachsen freigibt.“
Die Bedeutung von Eurogate für Wien sieht Wimmer darin, dass „es aufgrund der Größe, des Anspruchs und der Leistbarkeit einzigartig ist“.

Millionenförderung
Möglich gemacht wird so ein Projekt derzeit europaweit fast nur in Wien, das derzeit schon die höchste Dichte an mehrgeschoßigen Passivhäusern weltweit aufweist – und mit Eurogate die europaweit größte geschlossene Passivhaussiedlung des Kontinents errichtet.
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig setzt in seinem Ressort dabei auf einen bewährten Mix: „Wir fördern den Neubau, die Sanierung und sozial schwache Einzelpersonen.“ Insgesamt wendet Wien allein heuer 600 Millionen Euro für ökologischen und sozialen Wohnbau auf – 140 Millionen Euro mehr, als es vom Bund aus dem Finanzausgleich dafür bekommt.

Klimaschutz
Wohnbaustadtrat Michael Ludwig: „Wohnbauförderung ist für mich zwar zuallererst ein wichtiges sozialpolitisches Instrument, damit Wohnen in Wien auch leistbar bleibt und man hohe Wohn- und Lebensqualität erzielen kann. Wir koppeln die Wohnbauförderung im Rahmen des Wiener Klimaschutzprogramms KliP aber bereits seit Jahren gezielt an Maßnahmen für den Schutz des Klimas.“
Ausschließlich die Passivhaustechnologie fördern will Ludwig in Zukunft freilich nicht: „Ich bin ein großer Befürworter der Passivhaustechnologie und der sukzessiven Weiterentwicklung. Projekte, die den Passivhausstandard erfüllen, werden in Wien sogar noch einmal zusätzlich gefördert.“ Die Erfahrung zeige aber vor allem im städtischen Bereich, dass es keinen Sinn macht, ausschließlich auf diesen Standard zu setzen. Denn letztlich ist es eine Frage der vernünftigen Anwendbarkeit und auch der Kosten. Diese sind bei manchen Projekten so unverhältnismäßig hoch, dass man mit demselben Einsatz etwa bei der Wohnhaussanierung einen sehr viel größeren Erfolg in Sachen Energie- und CO2-Einsparungen erzielen kann.

Geballte Information
Gerade in Zeiten weltweit steigender Energiekosten steigt natürlich auch die Nachfrage nach energieeffizienten Häusern und Wohnungen. Auf diesem Gebiet zählt Wien auch zu den internationalen Vorreitern. Hier wurde etwa das erste Studentenwohnheim in Passivhaustechnologie errichtet, das Angebot an Passivhäusern ist reichlich vorhanden. Ein Punkt, der Luwig freilich ebenfalls am Herzen liegt, ist die umfassende Information von Interessenten: „Denn die Entscheidung für eine Wohnung in einem Passivhaus ist gleichzeitig mit einem veränderten Wohnverhalten verbunden. Das setzt auch die Bereitschaft dazu voraus. Daher sollte diese Entscheidung im Sinne der Wohnzufriedenheit der künftigen Bewohnerinnen und Bewohner auch wohlüberlegt getroffen
werden.“

Bunte Vielfalt
Zusätzlich zum Leitprojekt Eurogate verteilt sich inzwischen der ökologische – und weiterhin soziale – Wohnbau inzwischen praktisch über die ganze Stadt: So entstand eines der Häuser mit der schönsten Aussicht am Mühlweg in Floridsdorf (Bild rechts oben). Ein Haus, das mit sehr, sehr viel Holz glänzt und ebenfalls den Anforderungen des Passivhausstandards genügt.
Weitere geförderte Passivhäuser in Wien gibt es in der Vorgartenstraße am Nordbahnhofgelände (voraussichtlich Sommer 2011 bezugsfertig) und in der Quellenstraße 11 in Simmering, wo es ab dem ersten Stock nur noch holzverkleidete Fassaden gibt. 37 geförderte Mietwohnungen in Passivhausbauweise sollen demnächst in der Dreherstraße 34, ebenfalls in Simmering fertig werden – hier wird der Heizwärmeverbrauch gegenüber herkömmlichen Bauten um 90 Prozent gesenkt und es gibt sogar Pollenfilter zur Hebung der Luftqualität in den Räumen. Dazu gibt es das Passivhaus „Melone“, nur ein paar Häuser weiter in der Dreherstrasse 66 und das Projekt Roschégasse 20, die derzeit noch größte Passivhauswohnanlage Österreichs. Eines der Pionierprojekte war die Utendorfgasse 7 in Penzing: 2006 bei der Eröffnung war dies einer der ersten mehrgeschoßigen Öko-Bauten.

Rumba und Sonne
Wien sorgt sich freilich auch auf anderen Ebenen um den Umweltschutz im Wohnbau: In der Donaufelder Straße 91 sollen im nächsten Jahr 269 geförderte Wohnungen bezugsfertig sein, die mit Solartechnologie ergänzend beheizt werden. Im Karree St. Marx ( Bauplatz D) in Wien-Landstraße und Am Krautgarten in der Donaustadt entstehen Klima:aktiv-Häuser. Beim Simmeringer Projekt Thürnlhof und am Floridsdorfer Orasteig kommt beim Bau „Rumba“ zum Einsatz: die Richtlinien für umweltfreundliche Baustellenabwicklung. So wurden am Orasteig die Zahl der Lkw-Fahrten um 70 Prozent reduziert, die Transportweiten waren auf 15 Kilometer beschränkt. Dadurch konnten 1.500 Tonnen Kohlendioxid eingespart werden. Durch unkomplizierte Maßnahmen wie Wasserberieselung wurde auch der Feinstaubausstoß stark reduziert.
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