Geisel im Megapoker

328 Mio. Euro fürs Schweigen des Grafen

Teilen

Mit der größten Strafzahlung in der Geschichte kaufte sich der BAE-Waffenkonzern von Schmiergeld-Ermittlungen frei – mittendrin als einziger Verhafteter im Skandal: Alfons Mensdorff-Pouilly.

War es ein gewaltiger Agententhriller? Oder doch nur eine weltweite Schmierenkomödie? Seit Freitagnacht streiten die Polit-Beobachter zwischen Washington, London, Stockholm und Budapest, was da in London wirklich abgelaufen ist:

BAE gesteht Schuld und zahlt Rekordstrafe

Tatort 1: Die Elm Street in London. Seit fünf Jahren hatte das britische „Serious Fraud Office“ (SFO) gegen den Weltkonzern British Aerospace (BAE) ermittelt – wegen globaler Korruption in gewaltigem Ausmaß bei praktisch allen Waffengeschäften des letzten Jahrzehnts.

In einer dürren Erklärung ließ SFO-Boss Richard Alderman eine Bombe platzen: „Alle Ermittlungen gegen Individuen, darunter auch gegen Count Alfons Mensdorff-Pouilly, und den BAE-Konzern, sind eingestellt.“ Das SFO und das US-Justizministerium haben sich nach jahrelanger Jagd rund um den Globus mit dem Waffenkonzern BAE geeinigt: BAE bekennt sich schuldig und zahlt die Rekordstrafe von 328 Millionen Euro – darunter in den USA, Großbritannien und in so fernen Ländern wie Tansania.

Waffen-Graf aus Luising war Geisel im Megapoker

Tatort 2: Zwischen dem Verhandlungssaal von Richter Timothy Workman in Westminster und dem Prentonville-Gefängnis in London läuft indes die hoch spannende Parallelhandlung zu diesem weltweit umstrittenen Deal – der weltweit einzige Verhaftete in der BAE-Affäre kämpft um seine Freilassung. Vergangenen Freitag war der österreichische Graf Alfons Mensdorff-Pouilly (56) bei einem Verhör in London kurzerhand festgenommen worden.

Offenbar als Faustpfand und Geisel für die Verhandlungen der SFO und der US-Justiz mit BAE – denn der schillernde Graf ist laut Ermittlern eine der Zentralfiguren in mehreren schweren Korruptionsfällen in Europa: 107 Mio. Euro soll Mensdorff verteilt haben, darunter 18 Mio. in Österreich. Für Mensdorff gilt die Unschuldsvermutung. Bekommen hat er das Geld von Brigadier Timothy Landon, behaupten die SFO-Ermittler in einem Bericht an die Wiener Staatsanwaltschaft, die daraufhin Mensdorff Anfang 2009 in U-Haft nahm.

Der mittlerweile verstorbene Landon gilt laut Kronzeugen Mark Cliff als Schlüsselfigur weltweiter Rüstungsdeals, in die Mensdorff zumindest in Einzelfällen involviert war – man war schließlich verwandt: Landon war mit Kata Esterhazy, einer Cousine des Grafen verheiratet.

Jetzt erklären internationale Geheimdienstexperten, dass die Briten BAE gedroht haben sollen, dass Mensdorff auspacken würde. Dann habe BAE mit sensationellen 328 Millionen Euro das Schweigen des Grafen erkauft. Damit wäre er der teuerste Defraudant der Weltgeschichte. Ansonsten wäre Mensdorff nur ein Glückspilz der Sonderklasse.

Licht ins Dunkel der Affäre soll jetzt die Wiener Justiz bringen: SP-Minister Norbert Darabos fordert, dass hier weiter ermittelt werden müsse.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.