Monsterprozess

13 Tierschützer als Mafia-Zelle angeklagt

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Der Staatsanwalt spricht von Anschlägen und Sabotage, laut Verteidiger sind viele Fälle einfach nicht aufgeklärt worden und/oder lächerlich.

Begleitet von Protesten hat am Dienstagvormittag der Prozess gegen 13 Tierschützer in Wiener Neustadt begonnen. 13 Personen sind hauptsächlich, davon sechs ausschließlich, nach Paragraf 278a Strafgesetzbuch, also wegen der Beteiligung an einer kriminellen Organisation, angeklagt.

Demo vor Gerichtsgebäude
Im Schwurgerichtssaal herrschte großes Gedränge, während vor dem Gerichtsgebäude mehrere Dutzend Aktivisten und Sympathisanten protestierten. Unterdessen gab es von der FPÖ, den Grünen und vom Tierschutzverein "Vier Pfoten" einmal mehr die Forderung nach einer Reform des Paragrafen.

Mehr Eingangskontrollen
"Tierschutz lässt sich nicht mundtot machen" oder "§ 278 a: Getroffen hat es einige, gemeint sind wir alle", stand u.a. auf Transparenten zu lesen. Im Gerichtsgebäude waren - aufgrund des erwarteten Andrangs, wie es hieß - die Eingangskontrollen personell verstärkt worden.

Tierschützer als Mafia-Zelle
Sechs der 13 Beschuldigten, davon fünf vom Verein gegen Tierfabriken (VGT) mit Obmann Martin Balluch an der Spitze, sind ausschließlich nach § 278 a angeklagt. Balluch selbst hatte im Vorfeld des - bisher umfangreichsten - Verfahrens in Wiener Neustadt wiederholt die Öffentlichkeit gesucht, um auf die seiner Ansicht nach fragwürdige Anwendung des sogenannten Mafia-Paragrafen auf NGO's aufmerksam zu machen.

Bitte, keine Politik!
Zu Prozessbeginn stellte die Einzelrichterin Sonja Arleth fest, dass es in dem Verfahren lediglich um den Prozessstoff gehe. Das Gericht diene nicht als Forum für politische Statements oder polarisierende Aussagen.

"Terroristische Vereinigung"
Staatsanwalt Wolfgang Handler erläuterte zum angeklagten Paragraf 278a die österreichischen Kontakte zu internationalen Netzwerken des Tierrechtspektrums, ausgehend von der britischen ALF (Animal Liberation Front) in den 1970er Jahren. Diese habe als radikaler Arm - laut amerikanischen Behörden als terroristische Vereinigung eingestuft - in den 1980er Jahren ökonomische Sabotageakte gesetzt. In England seien 2.800 Anschläge mit einem Schaden von 36 Mio. Euro verübt worden.

Anschläge und Sabotage
Ab 1988 habe es eine Splittergruppe in Österreich gegeben, Anfang der 1990er-Jahre hätten sich zumindest zehn Personen zusammengeschlossen. Handler sprach von 200 ALF-Anschlägen in Österreich, wobei Mitglieder des VGT und der Basisgruppe Tierrechte involviert gewesen seien. Handler verwies auf Kontakte des Erstangeklagten und VGT-Obmanns Martin Balluch zu militanten Briten. Dieser habe die Ideologie des Vereins vertreten und Strategien entwickelt. Andere Beschuldigte hätten u.a. Bekennerschreiben verfasst, Kontakte aufgenommen und Recherchen durchgeführt.

Buttersäure und Brände
Handler führte Kampagnen, Nötigungsversuche, Sabotageakte und Sachbeschädigungen mit zig Tausenden Euro Schaden an. So sei 1997 die Anti-Pelz-Kampagne gegen Kürschner und Nerzfarmen gestartet und 2006 zu einer Offensive gegen die Pelzindustrie intensiviert worden. Ziele waren mehrere Modeketten. Im Zuge der "Fleisch-Kampagne" mit dem Ziel einer "Veganisierung" der Gesellschaft gab es Buttersäureanschläge, im Rahmen der "Bettfedern/Daunen-Kampagne" brannte eine Fabrik in Niederösterreich ab. Der Staatsanwalt bezifferte den dabei entstandenen Schaden mit sieben Mio. Euro.

"Jede Menge nicht aufgeklärt"
Stefan Traxler, der vier VGT-Zugehörige und einen weiteren Angeklagten verteidigt, bezeichnete die im Akt genannte Schadenssumme von 1,3 Mio. Euro als "an den Haaren herbeigezogen". Außerdem kritisierte er im Zusammenhang mit dem von ihm gerügten OGH-Entscheid hinsichtlich der 2008 über zehn Verdächtige verhängten U-Haft die Darstellungen der Sonderkommission über die Ermittlungen. Für ihn sei schwierig zu entscheiden, ab wann ein VGT-Mitglied zu einer kriminellen Organisation gehöre, so der Anwalt. Traxler bezeichnete es als problematisch, "dass jede Menge Straftaten mit Tierschutzbezug einfach nicht aufgeklärt wurden".

Zur ALF verwies Traxler auf eine Aussage des Chefs der Sonderkommission, wonach dies keine Organisation sei, sondern als verantwortlicher Name für strafrechtliche Delikte verwendet werde. Martin Balluch habe mit der "Kleider Bauer-Kampagne" nichts zu tun. Auch die Vorwürfe gegen weitere Mandanten wies der Anwalt zurück. Die Staatsanwaltschaft habe 30 bisher gestellte Beweisanträge ignoriert. Die Schadenssummen würden ungeprüft übertrieben.

Angeklagte: Nicht schuldig
Alle Angeklagten haben sich am ersten Verhandlungstag nicht schuldig bekannt. Die meisten erklärten auf Frage der Richterin, auch aussagen zu wollen. Der Prozess, der zum Auftakt am Dienstag nach den Ausführungen der fünf Verteidiger endete, wird am Donnerstag fortgesetzt.

"Strafrechtlich lächerlich"
Mit dem Hinweis auf die Argumente seines Vorredners erklärte Josef Philipp Bischof, Anwalt von zwei Beschuldigten, sich kurz fassen zu wollen. "Die Vorwürfe sind von der strafrechtlichen Relevanz her lächerlich." Ungeklärte Straftaten würden "in einen Topf geschmissen" und mit dem "ärgerlichen" Konstrukt einer "Doppelstrategie" vom Staatsanwalt legale Kampagnen mit einer kriminellen Organisation verknüpft.

"Täter" waren noch Schulkinder
So habe Staatsanwalt Handler etwa eine Brandstiftung vor 20 Jahren in England angeführt. Damals hätten die meisten Angeklagten noch hier im Land die Schulbank gedrückt. Bischof verwies darauf, dass seinen Mandanten seitens der Anklage die Rolle der "mutmaßlichen EDV-Experten" zukomme.

"Demos sind nicht strafbar"
Alexia Stuefer verteidigt in dem - zunächst bis 17. Juni anberaumten - Verfahren drei Angeklagte. Sie schloss sich den Ausführungen ihrer Kollegen vollinhaltlich an. Etwa bei der angeführten "Eier-Kampagne" vermisste die Anwältin einen strafrechtlichen Bezug und die klare Trennung zu normalen, verfassungsrechtlich geschützten Aktivitäten. Die Zahl von 890 Demonstrationen werde genannt: "Das ist nicht strafbar." Stuefer betonte, dass beim "großen Lauschangriff" auf einen ihrer Mandanten keinerlei "konspirativen" Gespräche abgehört worden. Beim § 278 a habe der Gesetzgeber wohl Organisationen wie die Mafia oder auch Hooligans im Auge, nicht aber NGOs.

"Nur Entlastendes gefunden"
Rechtsanwalt Michael Dohr fragte sich im Lauf der Vorbereitung, wie man eigentlich Mitglied einer kriminellen Organisation werde und wo der Beitrag seines Mandanten liege. Dieser - laut Staatsanwalt an strategischen Planungen beteiligt - habe lediglich ganz wenige Male Telefonate mit zwei anderen Beschuldigten geführt, von Zusammenarbeit könne keine Rede sein. Der Anwalt zeigte sich "dankbar" für die jahrelangen Ermittlungen, die nämlich nur Entlastendes erbracht hätten. Sein Mandant sei auch kein "Mittelsmann".

Verteidiger Harald Karl verwies auf die kurze Vorbereitungszeit für seinen erst Anfang Februar angeklagten Mandanten. Dass diesem u.a. vorgeworfen werde, "gute Kontakte" zum Erstangeklagten zu unterhalten, löste Heiterkeit im Saal aus - er ist dessen Bruder.

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