Schock

Ansfeldner Bürgermeister erhängte sich

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Vor knapp zwei Wochen wurden Bürgermeister Ernhard zwei tote Mäuse in einer Pralinenschachtel ins Ansfeldener Rathaus geschickt.

Die Ansfeldener können es nicht fassen: Der Bürgermeister der 15.700-Einwohner-Stadt bei Linz in Oberösterreich, Walter Ernhard (SPÖ), erhängte sich gestern in seiner Gartenhütte im Stadtteil Nettingsdorf. Gattin Ilse fand den 56-Jährigen. Das Stadtoberhaupt war erst vor zwei Wochen in die Schlagzeilen geraten: Ernhard, seit 15 Jahren Bürgermeister, hatte von einem Unbekannten eine Pralinenschachtel mit toten Mäusen geschickt bekommen. Seitdem war er wegen eines Gehörsturzes im Krankenstand.

Abschiedsbrief
Ilse Ernhard hatte Einkäufe erledigt und kam am Nachmittag nach Hause. Als sie einen Abschiedsbrief entdeckte, machte sie sich besorgt auf die Suche nach ihrem Mann. In der Gartenhütte machte sie gegen 15.30 Uhr die tragische Entdeckung. Sie und Sohn Hannes (28) wurden von einem Kriseninterventionsteam betreut. Die Polizei kann ein Fremdverschulden ausschließen.

Vorwürfe
Der Schock ist groß. SPÖ-Vizebürgermeister und enger Vertrauter Karl Pichler ringt nach Worten: „Ich bin erschüttert.“ Sofort beginnt auch die Suche nach einem Motiv für die Verzweiflungstat. Pichler: „Was in den letzten Wochen gelaufen ist, wird ihm schlichtweg zu viel geworden sein.“ Er wird deutlicher: „So kann man jemanden in den Tod treiben. Wie kann man einem so guten Menschen nur so etwas antun?“

Pichler meint eine Plakatkampagne der ÖVP, auf denen Ernhard für die finanziell angespannte Situation der Gemeinde verantwortlich gemacht worden sei. Auch der Brief, der dem Mäuse-Paket beilag, hatte denselben Inhalt. Schon damals zeigte sich Ernhard, der auch in der Gemeinderatswahl im September 2009 erstmals seit 1949 die absolute Mehrheit der SPÖ verlor, in einem Gespräch mit ÖSTERREICH tief verletzt.

ÖSTERREICH: Die grausige Entdeckung in der Pralinenschachtel liegt bereits einige Tage zurück. Haben Sie den Schock mittlerweile verdaut?
Walter Ernhard: Nein, da überlegst du schon, was wäre, wenn da was anderes drinnen gewesen wäre. Ich erinnere nur an den Pralinenanschlag von Spitz oder die Briefbomben. Stellen Sie sich vor, in dem Fall hätte es meine Mitarbeiterin getroffen. Da geht es einem nicht gut dabei und die Angst kommt. Ich bin seit 15 Jahren Bürgermeister und noch nie bedroht worden. Das trifft mich wirklich sehr.
ÖSTERREICH: Sie haben einen Gehörsturz erlitten. War die Attacke dafür mit ursächlich?
Ernhard: Der psychische Stress spielt sicher mit, dass es nicht besser wird. Ich hatte bereits vorher einen leichten Gehörsturz, dann ist er noch eklatanter geworden. Ich kann nur ganz kurze Strecken schlafen.
ÖSTERREICH: Rächt sich jetzt der Stress als leidenschaftlicher Kommunalpolitiker? Denken Sie an Rücktritt?
Ernhard: Ich glaube an das Gute im Menschen, sonst könnte ich den Job gar nicht machen. Auch wenn das manchen nicht passt: Ans Aufhören denke ich noch lange nicht. Dafür habe ich noch viel zu viele Dinge vor.

Fakt ist, dass die Stadt 2009 in eine finanzielle Misere rutschte und zur Abgangsgemeinde wurde. Das Minus in der Stadtkasse verdoppelte sich innerhalb eines Jahres auf 3,4 Mio. Allein die Personalkosten explodierten um 35 %, was Ernhard mit dem Gratiskindergarten begründete. Grüne und ÖVP warfen dem Ortschef Verschwendung vor: Er habe u. a. einen Empfang für 10.000 Euro ausgerichtet, 1.500 Jägermeister-Fläschen mit seinem Konterfei verschenkt.

Rechnungshof
Derzeit prüft der Landesrechnungshof Ansfelden. Erste Ergebnisse lagen laut ÖVP-Vizebgm. Andrea Hettich vor und wurden auch Ernhard mitgeteilt. Hettich zu ÖSTERREICH: „Ich kann nur so viel sagen: Es wurden große Mängel festgestellt. Es ist sehr viel passiert, worauf sich der Rechnungshof noch keinen Reim machen kann.“ Freilich hält sie nichts von den Vorwürfen, Ernhard mit Plakaten in den Tod getrieben zu haben.

Die Obduktion hat mittlerweile bestätigt, dass sich das Stadtoberhaupt selbst das Leben genommen hat, also kein Fremdverschulden vorliegt.

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