Tierschützer-Prozess

Balluch erntet bei Einvernahme Applaus

Teilen

Am zweiten Tag des Prozesses herrschte wieder unruhiges Verhandlungsklima.

Der zweite Tag im Prozess gegen 13 Tierschützer am Landesgericht Wiener Neustadt hat am Donnerstag mit der Einvernahme des Erstangeklagten Martin Balluch begonnen. Balluch, Obmann des Vereins Gegen Tierfabriken (VGT) ist wie zwölf andere Aktivisten wegen Beteiligung an einer kriminellen Organisation nach Paragraf 278a Strafgesetzbuch angeklagt. Sieben davon werden auch andere strafrechtliche Handlungen wie Nötigung oder Sachbeschädigung vorgeworfen.

Vor der Verhandlung hatten sich auch einige Aktivisten vor dem Gebäude versammelt, zu Prozessbeginn begaben sich aber auch diese in den Saal. Der für Wiener Neustadt bisher umfangreichste Prozess hatte am Dienstag unter großem Medien- und Publikumsinteresse begonnen. Vor dem Gerichtsgebäude hatten zahlreiche Aktivisten demonstriert, die Parolen waren während des ganzen Tages bis in den Schwurgerichtssaal zu hören gewesen.

Zwischenrufe und Applaus
Auch am zweiten Prozesstag war das Verhandlungsklima recht unruhig. Von außen drangen zwar abgesehen von mehrmaligen musikalischen Untermalungsversuchen keine Geräusche in den Schwurgerichtssaal. Im Saal selbst waren jedoch Unmutsäußerungen von Zuhörern, Anwälten und Angeklagten zu hören. Das Publikum goutierte Aussagen Balluchs mehrfach mit Applaus sowie Gelächter und wurde dafür von Richterin Sonja Arleth abgemahnt.

Auch Zwischenrufe seitens der Zuhörerschaft gab es häufig ("irgendwann reicht's", "glauben Sie alles, was Sie lesen?"). Anwalt Stefan Traxler äußerte mehrfach Unmut darüber, dass die Richterin Balluch bei Antworten auf Fragen immer wieder unterbrach oder Stellungnahmen mit den Worten "Ich bin noch nicht fertig" verhinderte. Der Beschuldigte selbst klagte in regelmäßigen Abständen darüber, dass er das Gefühl habe, dass ihm die Richterin nicht zuhöre und streute zu Testzwecken auch einmal sinnlos aneinandergereihte Silben in seine Aussage ein.

Gänzlich legale Aktionen
Doppelstrategien, aus legalen Aktionen und Straftaten, wie von Staatsanwalt Handler in seinem Strafantrag angeführt, "gibt es nicht", sagte Balluch zu Beginn seiner Einvernahme. Zu 99,9 Prozent setzten sich die Kampagnen aus legalen Mitteln zusammen, "die Doppelstrategie besteht offensichtlich daran, dass man sich mit legalen Kampagnen begnügt". Es habe etliche Kampagnen gegeben, wie etwa die, wo die Supermärkte dazu gebracht wurden, keine Legehennen-Eier mehr zu verkaufen, die ohne eine einzige Straftat auskamen, betonte er.

Dennoch gab er zu, nicht immer ganz legal gearbeitet zu haben. "Es ist nicht legal, einen Delfin aus einem Aquarium zu befreien. Es ist auch nicht legal, 80 Hunde aus einem Zwinger zu holen. Aber es ist super", so Balluch.

Der Eindruck, den der Staatsanwalt mit der Liste der vorgetragenen Straftaten erweckt habe, stimme "überhaupt nicht". Die 1.500 Aktionen, die beispielsweise gegen die Bekleidungskette "Peek & Cloppenburg" angeführt wurden, seien fast gänzlich legale Aktionen gewesen, von denen die meisten außerdem auch noch außerhalb von Österreich stattgefunden hätten. Im Jahr 2005 habe es gar keine Straftaten gegeben, da habe die kriminelle Organisation "offensichtlich Urlaub gemacht", versuchte der Erstangeklagte zu scherzen.

Balluch selbst "schweren Straftaten" ausgesetzt
Auch eine Reihe von Brandstiftungen, die nun den Tierschützern angelastet würden, seien in Wahrheit gar keine gewesen. Der Brand in einer Daunenfabrik Ende der 90er Jahre sei damals laut Sachverständigen keine Brandstiftung gewesen, sondern erst von der Sonderkommission neun Jahre später als solche bezeichnet worden, erklärte Balluch. Viele der Straftaten seien das Werk von Einzeltätern bzw. ein Randphänomen gewesen, dafür gebe es auch Beweisvideos.

Weiters erinnerte er daran, dass auch Tierschützer in Österreich - inklusive seiner eigenen Person - schon "schwersten Straftaten" ausgesetzt gewesen waren. Richterin Arleth verwies mehrfach darauf, dass "weitschweifige Ausführungen nicht der Sache dienen" und von Balluch thematisierte Dinge nicht Gegenstand des Strafantrags - wie etwa die vor kurzem stattgefundenen Aktionen gegen Versuche mit "Lawinenschweinen" in Tirol - seien. "Warum nicht, es gab hier legale Demos und eine Bombendrohung", das sei eine Doppelstrategie, rief Balluch. Während der Ausführungen der Angeklagten ertönte kurzzeitig lautstark das Lied "I want to break free" von der britischen Popgruppe Queen vor dem Gerichtssaal.

ALF hat "positives Image"
Eine Zusammenarbeit zwischen allen Angeklagten habe es nicht gegeben. Die VGT-Angehörigen hätten natürlich Kontakt miteinander gehabt, mit anderen sei er privat befreundet gewesen. Es seien aber auch Mitglieder von Gruppen unter den Beschuldigten, die mit dem VGT praktisch verfeindet seien. Es wäre "vollkommen undenkbar, dass ich auf eine Veranstaltung von ihnen gehen würde oder umgekehrt", meinte Balluch.

Die Animal Liberation Front (ALF) hat für den Erstangeklagten ein "positives Image". ALF sei keine Organisation, sondern jede Person, die die Einstellungen teilt und Aktionen setzt, um Tiere zu befreien, meinte Balluch. Es gebe sogar im sozialen Netzwerk Facebook eine ALF-Gruppe mit rund 20.000 Fans. Auch in Großbritannien zu Haftstrafen verurteilte und im Strafakt genannte englische Aktivisten seien trotz mancher Straftaten Sympathieträger, meinte er.

Belastende E-Mails
Auch ein von der Richterin vorgetragenes Schreiben einer Angeklagten über ihre Entwicklung hin zur ALF (u.a. beschrieb sie, wie sie auf eigene Faust ein Fast Food-Lokal ausspionierte) sei der beste Beweis dafür, dass es sich bei den Taten nicht um eine kriminelle Organisation handle, sondern um einzelne Personen. "Ich würde sagen: Case Closed", schloss Balluch.

Richterin Sonja Arleth hielt Balluch mehrere auf seinem Server sichergestellte Mails vor, in denen u.a. Demonstrationen und Sachbeschädigungen beschrieben wurden und festgehalten wurde, dass man zum Erreichen der Ziele bereit sein müsse, andere zu töten oder selbst zu sterben. Der Erstangeklagte verteidigte sich damit, dass er nicht alle diese Mails selbst geschrieben, sondern zu Recherchezwecken für sein Buch aus England bestellt habe. Zitiert habe man aus Tausenden Schreiben nur jene, "die mich besonders böse darstellen".

Aus Zusammenhang gerissen
Er selbst und der VGT hätten niemals Bekennerschreiben zu Straftaten in Österreich verfasst oder mit diesen sympathisiert, sondern maximal per Mail weitergeleitet oder zur Diskussion in Foren gestellt. Ein Schreiben, das ihm die Anklage zuordne, habe er mit Sicherheit nicht verfasst, weil in einem das Wort "tierisch" verwendet wurde, das er in anderen Schriften nachweislich für abwertend hält und daher nicht verwenden würde. Ein weiteres könne er nicht geschrieben haben, weil er sich zum fraglichen Zeitpunkt nachweislich über eine Woche auf einer Skitour befunden habe, erklärte Balluch.

Aussagen im Fadinger Forum, wie die von Arleth vorgehaltene Verharmlosung eines Buttersäure-Anschlags auf eine Kleider Bauer-Filiale in Graz, wären "im geschützten Raum" getroffen worden, unter Personen die sich vertrauen und die wüssten, dass der andere nicht kriminell sei, erklärte Balluch. Außerdem seien sie aus dem Zusammenhang gerissen. Bei den Unterhaltungen handle es sich um einen "Internet-Stammtisch", bei dem Bekannte plaudern. Anweisungen habe er nicht gegeben, betonte er.

Zuseher beruhigen sich
Nach der Mittagspause kehrte wieder Ruhe in den Verhandlungssaal ein. Beide Seiten waren offensichtlich um ein besseres Klima bestrebt, die Angriffslustigkeit der Beteiligten wich dem Bemühen um mehr Geduld und Verständlichkeit. Auch die Zuseher verhielten sich ruhig, das Tempo der Verhandlung wurde gebremst.

Thema war am Donnerstagnachmittag das Balluch vorgeworfene Ausspionieren von Pelzfarmen in Skandinavien im Herbst 2003. Der Beschuldigte erklärte, dort gefilmt und recherchiert zu haben. In Österreich habe es zu dieser Zeit keine Pelzfarmen mehr gegeben und die Kürschner hatten angegeben, ihre Pelze von dort zu beziehen. 76 Farmen in Schweden, Dänemark, Finnland und Norwegen habe er dokumentarisch gefilmt, um Konsumenten in Österreich über Haltung der Tiere aufzuklären. Als Beweis für die reine Recherchetätigkeit wurde ein damals aufgenommenes Video vorgeführt.

Balluch hält Freilassungen für problematisch
Nach der Reise hatte Balluch in verschiedenen Internet-Foren, darunter im Fadinger Forum, von der Reise berichtet. Er hatte sich im Oktober bzw. November dort aufgehalten, weil das die Zeit der Pelzung sei. Daher würden zu dieser Zeit naturgemäß auch die meisten Tierschützer-Aktionen stattfinden. Während Balluchs Anwesenheit wurden beispielsweise Füchse von einer Farm befreit und eine leerstehende Farm angezündet. Mit diesen ALF-Aktionen habe er aber nichts zu tun gehabt, auch Freilassungen, nach denen die Tiere sich selbst überlassen bleiben, halte er für problematisch.

Der Erstangeklagte geriet ins Visier der finnischen Polizei. Seine Filmaufnahmen, die er per Post nach Österreich schicken wollte, wurden beschlagnahmt. "Warum sie das getan haben, konnte ich bis heute nicht herausfinden", so Balluch. Bei einer zweiten Reise wurde er vorübergehend festgenommen. Wenige Tage später ließ ihn die Exekutive frei, gab ihm sein Material zurück und er erhielt eine Entschädigung, erläuterte er. Bei seinen Recherchen habe er niemals etwas aufgebrochen oder eine Sachbeschädigung begangen, betonte er.

"Offene Befreiungen" ein "Witz"
Ein in der Verhandlung vorgelesenes Telefonat zwischen Balluch und einem anderen Angeklagten, in dem angeblich von "offenen Lagerfeuern" und "offenen Befreiungen" die Rede ist, stellte der Beschuldigte als "Witz" dar. Man habe bereits gewusst, dass man abgehört werde und sich darüber lustig gemacht - sie hätten damals nicht gedacht, deswegen vor Gericht zu landen. "Offen" heiße außerdem, dass man etwas im Beisein der Medien mache. Niemand wäre aber so verrückt, etwas anzuzünden, während Journalisten dabei sind und es dokumentieren, untermauerte er.

Vorgeworfen wird Balluch auch das Zurverfügungstellen von Materialien für die kriminelle Organisation. Der angedachte "Handypool" für etwa 200 Geräte, die auf keine konkreten Personen angemeldet seien und dadurch getauscht und nicht gut rückverfolgt werden könnten, stieß bei der Richterin auf Unverständnis: "Sie gehen davon aus, dass der Staat Aktivisten bei legalen Kampagnen überwachen lässt", fragte sie und erntete dafür Gelächter unter den Zuschauern. Balluch meinte daraufhin, er sei bereits seit 1998 überwacht worden. Die Einvernahme des VGT-Obmanns wird am Freitag fortgesetzt.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.