Prozess in Linz

Blutiges Tribunal inszeniert: Milde Urteile

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23-Jähriger stundenlang gefoltert. Richter: "So eine Verrohung sieht man selten".

Der Prozess nach einem brutalen inszenierten Tribunal hat in der Nacht auf Donnerstag in Linz mit nicht rechtskräftigen Schuldsprüchen für alle verbliebenen Angeklagten geendet. Die Verteidiger verzichteten auf Rechtsmittel, die Staatsanwältin gab keine Erklärung ab. Das Verfahren gegen die siebente Beschuldigte war ausgeschieden worden, weil sie wegen einer Panikattacke den Saal verlassen hatte.

Gewaltorgie
Im Februar 2010 seien die Beteiligten - sie sind heute 20 bis 25 Jahre alt - zu einer Gewaltorgie zusammengetrommelt worden, so der Richter in der Urteilsbegründung. Die folgenden Attacken gegen einen heute 23-Jährigen waren demnach von einem gemeinsamen Vorsatz getragen. Die beiden Hauptangeklagten fassten jeweils fünf Monate unbedingt aus, die weiteren Beschuldigten bedingte Freiheitsstrafen von sechs bis zwölf Monaten. Eine 22-Jährige muss zudem eine Geldstrafe von 720 Euro zahlen. Dem Opfer wurden 1.500 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Den Angeklagten, die teilweise Kinder und sehr hohe Schulden haben, drohten bis zu zehn Jahre Haft.

16-stündiger Verhandlungsmarathon
Den Urteilen war ein regelrechter Verhandlungsmarathon im Landesgericht vorausgegangen, der mehr als 16 Stunden dauerte. "Alles scheint wie aus einem schlechten Film", hatte die Staatsanwältin zu Beginn des Schöffenprozesses wegen Freiheitsentziehung gesagt: In einer gespielten Gerichtsverhandlung sei das Opfer gefangen gehalten und gefoltert worden. Die einen hätten den Burschen traktiert, die anderen dem Geschehen vergnügt beigewohnt, es anerkennend kommentiert und die mutmaßlichen Angreifer angefeuert. Die Attacke endete mit Prellungen, einer Gehirnerschütterung und Hämatomen. Anschließend soll das Opfer noch bedroht worden sein. Eine Teilnehmerin filmte die mehrstündige Prozedur mit ihrem Handy. Jahre später fand die Polizei bei einer Hausdurchsuchung bei einem Unbeteiligten zufällig die Aufnahmen.

Video vom inszenierten Tribunal

Im Prozess verwickelten sich mehrere Angeklagte wiederholt in Widersprüche und rechtfertigten das Martyrium mit überbordendem Alkoholkonsum. In der Verhandlung wurde auch das rund 80 Minuten lange Video des Zwischenfalls gezeigt. Dabei war zu sehen, wie der Bursch brutal attackiert wird, verzweifelt um Gnade fleht, dazu wiederholt lautes hämisches Lachen. "Was ist dir lieber? Entweder erschießen wir dich oder wir erschlagen dich. Oder beides gleichzeitig", ist zu hören. Weder die Schöffen noch die Beschuldigten oder andere Personen, die der Verhandlung beiwohnten, ließ der Mitschnitt kalt: immer wieder Kopfschütteln, die Blicke abgewandt, die Gesicht hinter den Händen versteckt.

"So eine Verrohung von jungen Leuten sieht man wirklich ganz, ganz selten", betonte der Vorsitzende. Die Befragung des Opfers, bei dem sich alle Angeklagten entschuldigten, förderte ein neues Detail zutage: Er sei nicht nur circa sechseinhalb Stunden gequält und dann aus der Wohnung geworfen worden, sondern auch "brennheiß und eiskalt abgeduscht" worden. Wie sich in der Verhandlung herausgestellt hat, soll einer der Verdächtigen ebenfalls misshandelt und gedemütigt worden sein: Das Opfer habe sich nackt ausziehen und den Penis in einen Staubsauger stecken müssen.
 

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