Unbegleiteter Flüchtling

Bub (9) wartet seit 20 Monaten auf Asylverfahren

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Keine Betreuung für unbegleitete Flüchtlinge über Grundversorgung hinaus.

Die Dauer von Asylverfahren hat sich von Beginn 2015 bis Ende 2016 im Schnitt von etwa drei auf neun Monate erhöht. Der mittlerweile neunjährige afghanischen Bub Morteza liegt da weit darüber. Er kam ohne seine Eltern im Sommer 2015 nach Österreich und wartet seit rund 20 Monaten auf eine Erledigung seines Verfahrens, betonte jetzt SOS Kinderdorf.

Ein weiteres Extrembeispiel sind vier inzwischen 14- bis 15-jährige Burschen aus Afghanistan, die im August 2015 im SOS Kinderdorf Altmünster direkt aus Traiskirchen aufgenommen werden. Laut den SOS Kinderdörfern hatte bisher - seit 20 Monaten - kein einziger von ihnen einen Interviewtermin, bei dem Asylwerber unter anderem nach ihren Fluchtgründen befragt werden. Laut den Kinderdörfern sind derzeit tausende minderjährige unbegleitete Flüchtlinge in Großquartieren ohne individuelle Betreuung, ohne angemessene Tagesstruktur untergebracht. Über die Grundversorgung hinaus gebe es für sie keine Betreuung.

Verwaltungspraxis rechtswidrig

Im Auftrag von SOS Kinderdorf erstellten Karl Weber und Michael Ganner von der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Innsbruck kürzlich ein Gutachten, in dem sie feststellten, dass die derzeitige Verwaltungspraxis rechtswidrig sei. Denn die Grundversorgungsgesetze, auf deren Grundlage unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreut werden, stellen laut den Gutachtern keinen Ersatz für die Zuständigkeit der Kinder- und Jugendhilfe dar. Während die Grundversorgung existenziellen Lebensbedürfnisse wie Unterkunft, Verpflegung und Bekleidung abdeckt, dienen die Leistungen der Jugendhilfe in erster Linie der physischen und psychischen Entwicklung sowie Erziehung von Kindern und Jugendlichen.

"Die Kinder- und Jugendhilfe hat für jeden Minderjährigen in Österreich, der nicht von der eigenen Familie ausreichend betreut wird, die Obsorge zu übernehmen und diese in vollem Umfang auszuüben", betonte Ganner in seiner Expertise. Ein unbegleiteter minderjähriger Flüchtling habe demnach ein Recht auf gleiche Chancen und gleichartige Unterstützungsleistungen wie jedes andere Kind, das nicht bei seinen Eltern leben kann. "Werden ihm diese Leistungen verwehrt, könnten diese Ansprüche bei den zuständigen Verwaltungs-oder Bezirksgerichten eingeklagt werden", so der Jurist.

182 Kinder müssen weiter warten

Im Rahmen einer Datenerhebung wurden die Fälle von 263 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen analysiert, die seit Sommer 2015 bei SOS-Kinderdorf untergebracht wurden. Mitte Februar 2017 haben lediglich 36 Kinder und Jugendlichen einen positiven Asylbescheid erhalten. 45 Kinder und Jugendliche haben einen negativen Asylbescheid erhalten, 38 davon haben jedoch Subsidiären Schutz und können daher in Österreich bleiben. Alle anderen 182 geflüchteten Kinder und Jugendlichen befinden sich laut SOS Kinderdorf weiterhin in einem laufenden Asylverfahren. Der Großteil davon wurde bisher, also nach rund einem bis eineinhalb Jahren, nicht zum Asylinterview eingeladen und muss daher damit rechnen, dass die Verfahrensdauer noch weitere Monate, wenn nicht Jahre dauern wird.

Dabei handelt es laut mit der Praxis vertrauten Insidern beispielsweise bei Morteza um einen an sich klaren Fall. Der Bub würde selbstverständlich ohne großen Probleme einen legalen Aufenthaltsstatus erlangen.

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