ÖSTERREICH-Besuch

Der kleine Prinz von Hellbrunn

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ÖSTERREICH-Besuch bei Sebastian (11). Er hat das Seckel-Syndrom, wird maximal 90 cm groß. Sein Leben ist ein Kampf – er meistert ihn grandios.

Beim Spielen ist Sebastian ein glückliches Kind. Er tummelt sich mit unzähligen Kindern in der Sandkiste. Backt einen Kuchen, lächelt seine Mama an, baggert eine Grube aus. Nur wer genau hinsieht, merkt: Alle Sandkisten-Freunde sind größer als er, obwohl Sebastian Kasinger der älteste ist. 11 Jahre ist der Salzburger Bub schon, der im Schloss Hellbrunn mit seiner Familie lebt, fast ein Teenager. Doch er ist nur 70 Zentimeter „groß“ und wiegt 4,7 Kilo. Die Größe entspricht etwa einem acht Monate alten Kind. Statt einer schicken Levi’s trägt er Jeans aus der Babyabteilung von Zara.

Zwergenwuchs.
Noch realisiert Sebastian sein Schicksal nicht. Er ist zum Kleinsein verurteilt. Wird immer ein Zwerg bleiben. Wahrscheinlich sogar der kleinste erwachsene Österreicher. Sebastian leidet (als einziger Österreicher) unter einer seltenen Form von extremem Kleinwuchs –dem sogenannten Seckelsyndrom. Auch der kleinste Mensch der Welt, He Pingping, der vor einer Woche mit 21 Jahren starb, hatte diese seltene Erbkrankheit.

Aber: „Trotz seines Handicaps ist Sebastian ein glückliches Kind. Er lacht viel, spielt gerne, geht gerne in die Schule“, sagt seine Mama, Margaretha Kasinger (51).

Vorahnung im 7. Monat.
Sebastian ist ihr drittes Kind. Die Geschwister Daniela (14) und Martin (24) sind „normal“ gewachsen. Im siebten Monat hat die Mutter plötzlich eine Vorahnung. Spürt, dass der Bauch nicht wachsen will. „Mein Bauch war einfach zu klein. Ich ging zum Arzt und bat ihn um eine Untersuchung. Aber er wies mich zuerst ab, meinte, ich solle mich doch freuen, wenn der Bauch nicht so groß ist“, erzählt Kasinger.

Ein Mutterinstinkt irrt eben nicht. Ihr Baby wollte nicht mehr weiterwachsen. Sebastian wird per Kaiserschnitt auf die Welt gebracht. Der kleine Floh ist nur 30 Zentimeter groß und wiegt 1,18 Kilogramm. „Um 30 Milliliter zu trinken, hat Sebastian eineinhalb Stunden gebraucht. Er war zu schwach, um von der Brust zu trinken. Die Sauger waren zu groß. Er brauchte eine Spezialanfertigung.“

Schlaganfall.
In Sebastians Liliput-Welt verläuft nichts normal. Elfjährige spielen mit der Playstation – Sebastian mit dem Duplo-Hubschrauber. Gleichaltrige himmeln Hannah Montana an. Sebastian liebt Spongebob.

Ein Schlaganfall mit zwei Jahren wirft ihn in der Entwicklung weit zurück. „Danach konnte er nicht mehr gehen und sprechen“, so die Mutter.

Mit fünf Jahren wird ihm ein Nierenstein entfernt. Erst mit sieben beginnt er, in ganzen Sätzen zu sprechen, kann sich seinen Eltern endlich mitteilen, ob er Durst oder Hunger hat.

Jetzt, mit 11 Jahren, kann er bis drei zählen, Mama, Papa und seinen eigenen Namen schreiben. „Und Sebastian erkennt auch schon alle Farben“, berichtet seine Mama stolz.

Selbst wenn der Powerfloh einen Apfel essen will, benötigt er Hilfe. Das Obst ist für seine winzigen Hände X-Large. „Ich versuche, ihn trotzdem zu einem selbstbewussten Menschen zu erziehen“, so die Mama.

Kinderlachen.
Das Wohnzimmer der Familie Kasinger ist Sebastians Spielwiese. Hier saust er mit seinen kleinen, flinken Laufschritten durch den ganzen Raum, zeigt stolz seine Hubschraubersammlung. Sobald Sebastian Spongbob am TV-Bildschirm sieht, „zerkugelt“ er sich vor Lachen. Über der Familienidylle hängt allerdings ein Damoklesschwert. Die Gefahr eines zweiten Schlaganfalls ist groß. „Seine Blutgefäße im Gehirn sind sehr verengt, sagen die Ärzte. Ich gehe öfters nach Maria Plein beten, dass Sebastians das erspart bleibt“, hofft Mama Margarethe.

Und welche Zukunftspläne hat Margarethe Kasinger für ihren Sohn? „Wir setzen uns nur kleine Ziele. Jetzt wollen wir einen ersten Kinobesuch wagen“, sagt sie nach einigem Nachdenken.

Das Erstaunliche an Familie Kasinger: Sie nehmen ihr Schicksal als vorbestimmt, klagen nicht an, versuchen das Positive zu sehen.

Der Grund sitzt mit einem Lächern vor uns. Sebastian, die Lebensfreude pur. „Es mag komisch klingen“, sagt seine Mutter. Aber es ist schön, dass er immer unser Kleiner bleiben wird.“

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