Verdacht zu dünn

Fall Julia: Alle Verdächtigen enthaftet

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Dem U-Richter war die Indizienlage offenbar zu dünn für eine U-Haft. Es fehlte der dringende Tatverdacht.

Die im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Julia Kührer unter dem Verdacht der Beteiligung an der Freiheitsentziehung in Verdacht geratene 27-jährige Frau und ihr damaliger Partner, ein heute 26-Jähriger, sind beide am Mittwochnachmittag auf freien Fuß gesetzt worden.

Indizienlage offenbar zu dünn
Der zuständige Korneuburger Haftrichter hatte über eine Videokonferenz die Verdächtigen hintereinander befragt. Am Ende reichten dem Richter die Indizien nicht aus, um über die am Montag Festgenommenen Frau die U-Haft zu verhängen.

Drogenfund reicht nicht
Der Umstand, dass bei der 27-Jährigen im Zuge einer Hausdurchsuchung Drogen sichergestellt werden konnten, wurde in der Haftverhandlung zwar thematisiert. Einerseits soll es sich dabei aber um geringe Mengen gehandelt haben, "vor allem aber ist klar, dass das nicht einen Zusammenhang mit dem Verschwinden Julias indiziert", so ihr Verteidiger Normann Hofstätter.

Übrig nur "ein toter Hund"
Johannes Öhlböck, der Verteidiger des 26-jährigen Mannes, kritisierte die Ermittlungsarbeit der Sicherheitsbehörden. "Mein Mandant kann sich nicht erklären, weshalb er festgenommen wurde und weshalb zehn bis zwölf schwer bewaffnete Cobra-Beamte gerade seine Wohnung gestürmt und seinen Hund erschossen haben", so Öhlböck. "Er kennt Julia Kührer persönlich nicht", versicherte der Anwalt.

Nichts bei der Razzia gefunden
Bei der von der Staatsanwaltschaft angeordneten Hausdurchsuchung an den Adressen der jungen Frau, ihres Ex-Partners und ihres 21-jährigen Bruders, der bereits am Dienstagabend auf freien Fuß gesetzt wurde, war nach Julias Schulsachen, Büchern, Kleidung und ihrem Mobiltelefon gesucht worden. Offensichtlich wurden keine Gegenstände entdeckt, die den Verbleib des Mädchens erhellen hätten können. Es dürften sich auch keine Beweismittel gefunden haben, die darauf hingedeutet hätten, dass die Festgenommenen zwingend in das Verschwinden Julia Kührers involviert waren.

Telefonat abgehört
Zentrale Bedeutung misst die Anklagebehörde offenbar einem Telefonat bei, das der 26-Jährige am 1. Mai 2010 mit 27-Jährigen führte und das auf Basis einer gerichtlich bewilligten Rufdatenüberwachung von der Sonderermittlergruppe "Zielfahndung Vermisste" abgehört wurde. Der junge Mann dürfte erfahren haben, dass Julias Ex-Freund neuerlich vernommen worden war. Nun "warnte" er fernmündlich seine Ex-Freundin, der Bursch habe "alle verpfiffen".

Handy-Peilung gab Anhaltspunkte
Auch die Ergebnisse einer Rufdatenerfassung machten die Ermittler stutzig: Demnach war Julia Kührer mit ihrem Mobiltelefon eine dreiviertel Stunde, nachdem sie zum letzten Mal am Hauptplatz in Pulkau gesehen wurde, in unmittelbarer Nähe zum Wohnsitz der Großeltern des 26-Jährigen eingeloggt. Für die Ermittler ergaben sich daraus offensichtlich ausreichende Indizien gegen das Trio. Unter anderem auch, weil der 26-Jährige am 27. Juni 2006 um 14.03 Uhr mit seinem Mobiltelefon in Sigmundsherberg eingeloggt war und sich damit nur wenige Kilometer von jener Bushaltestelle entfernt aufhielt, an der sich Julia Kührer am 27. Juni 2006 um 13.45 Uhr befand. Deren Handy wiederum wurde dann gegen 14.30 Uhr am Sendestandort Horn registriert, wo in unmittelbarer Nachbarschaft die Großeltern des 26-Jährigen leben.

Verdunkelungsgefahr befürchtet
Die Anklagebehörde unterstellte dem Trio die Intention, "die Wahrheitsfindung wesentlich zu erschweren oder gar unmöglich zu machen". Es sei "im Zusammenhalt mit den bisherigen Erhebungsergebnissen zu schließen", dass sie "an der Freiheitsentziehung der Julia Kührer beteiligt waren bzw. sind."

Stundenlange Verhöre
Im Bundeskriminalamt war man davon ausgegangen, durch die Einvernahmen der drei jungen Leute viele Informationen gewonnen zu haben. Die Verdächtigen waren am Montag ab mittags bis 22.00 Uhr befragt worden, am Dienstag wurden die Einvernahmen um 8.00 Uhr fortgesetzt und dauerten - mit Pausen - bis 20.00 Uhr. Die 27-Jährige habe sich "nicht sehr kooperativ gezeigt, wenig gesagt und war sehr zurückhaltend in ihren Aussagen", berichtete ein BK-Sprecher.

"Puzzle gehört zusammengesetzt"
"Jedes Puzzleteil muss zusammengesetzt werden. Und es ist nicht so, dass es keine heißen Spuren gibt", betonte er. Bei den Hausdurchsuchungen seien Daten von Mobiltelefonen und Computern sichergestellt worden. Weiters wurden synthetische Drogen und Tabletten mit der Wirkung von K.O.-Tropfen entdeckt, sowie eine Gaspistole.

Die damals 16 Jahre alte Schülerin Julia Kührer ist seit dem 27. Juni 2006 abgängig. Seit März geht das Bundeskriminalamt dem Fall im Rahmen eines Cold Case Managements wieder intensiv nach. Im Zuge der neu aufgerollten Erhebungen stellte sich heraus, dass das Mädchen an jenem Tag nach der Heimfahrt mit dem Schulbus noch um 13.30 Uhr am Hauptplatz in Pulkau mit drei Jugendlichen gesehen worden war, die aus einem silbernen Auto gestiegen waren.

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