Monsterprozess

Kieberer oder Krimineller?

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Der Staatsanwalt brauchte für die Anklage beinahe drei Stunden.

Montag um 9.02 Uhr atmete Staatsanwalt Wolfgang Wohlmuth hörbar ein. Der schmächtige Brillenträger brauchte Luft für 170 Minuten, um einem Schöffensenat (Vorsitz: Irene Mann) im Wiener Landesgericht den monströsen Verdacht gegen den 53-jährigen Chefinspektor Franz P. vorzutragen. Starke Schlusspointe des Anklägers: "Mir geht es nicht darum, hier einen erfolgreichen Kriminalbeamten öffentlich vorzuführen. Mir geht es darum, einem Kriminellen das Handwerk zu legen."

Kopfschütteln
Der Satz traf den früheren Spitzenkieberer und Mordermittler in die Magengrube. Franz P. atmete ächzend aus. Zu den stundenlangen verbalen Ohrfeigen des Staatsanwalts davor hatte er nur den Kopf geschüttelt. Das haben allerdings auch interne Ermittler, die zwei Jahre lang die Handys des suspendierten Kollegen überwachten und seine Kontakte abklopften.

Verhabert
Franz P. bekennt sich "nicht schuldig" und wird das schiefe Licht mit der Schattenseite seines Berufes erklären: Top-Cops brauchen Informanten in der Szene. Deshalb wird Kleinkriminalität von Spitzeln geduldet. Laut Anklage hat der Chefinspektor beim Schulterschluss aber jedes Augenmaß verloren. Der Staatsanwalt: "Er war mit der Unterwelt verhabert, hat Verbrecher beschützt und dafür Geld genommen."

"Jugo-Boss"
Im Prozess geht es um Amtsmissbrauch in neun Fällen. Auffallend: Die Kontakte des Chefin­spektors riechen alle nach "Jugo-Boss". Beispiele: Dem mutmaßlichen Schutzgelderpresser "Repic" ("der Zopf") soll er eine Bar verschafft und das Lokal vor Razzien geschützt haben. Mit dem Baumafioso Bahrija K. war er auf Urlaub und oft im Kasino. Dafür wollte der Infos aus dem Polizeicomputer. Im Raum stehen einseitige Ermittlungen nach einem Mord im "Jugo-Treff" "Café Cappuccino" und 20.000 Euro, die Franz P. angeblich dafür kassiert hat. Allein für seine Einvernahme sind vier Tage anberaumt.

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