Urteil

Ohne Anwalt verhandelt: Richter verurteilt

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Urteil: Ein Jahr bedingt und Amtsverlust für den 57-jährigen Burgenländer.

Ein burgenländischer Richter, der im April 2009 in einem landesgerichtlichen Zivilverfahren einen Firmenbesitzer ohne anwaltlichen Beistand verurteilt hatte, ist am Donnerstagnachmittag im Wiener Straflandesgericht wegen Amtsmissbrauchs schuldig gesprochen worden. Ein Schöffensenat (Vorsitz: Stefanie Öner) ortete einen "eindeutigen Befugnismissbrauch" und verhängte dafür ein Jahr Haft.

Die Strafe wurde dem 57-Jährigen unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Sollte sie allerdings in Rechtskraft erwachsen, wäre der Richter seinen Job und die damit verbundenen Pensionsansprüche los: Ab einer einjährigen Freiheitsstrafe hat eine gerichtliche Verurteilung für Beamte automatisch den Amtsverlust zur Folge. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, der Richter legte volle Berufung ein.

Verfahren gegen Handwerker
Der Richter hatte ein Verfahren gegen einen Handwerker geführt, dessen Firma von einer Witwe den Auftrag erhalten hatte, auf ihrer Terrasse Granitplatten zu verlegen. Dies erfolgte offenbar unfachmännisch - ein Sachverständiger stellte später fest, dass keine Tropfkanten eingebaut und die Platten schlecht verlegt worden waren. Die Witwe klagte auf Schadenersatz, und der zuständige Richter fällte am Ende ein sogenanntes Anerkenntnisurteil, in dem er ihr Recht gab.

Dass der Firmenbesitzer keinen Anwalt hatte, störte offenbar den Richter nicht, was nun Staatsanwältin Eva Habicher als "ganz eklatanten" Verstoß gegen die Zivilprozessordnung (ZPO) wertete. In landesgerichtlichen Verfahren herrsche absolute Anwaltspflicht. Der Richter habe aber die Sache offenbar rasch vom Tisch haben wollen, meinte die Anklägerin: "Er wollte die Parteienrechte schädigen und sich selbst Arbeit ersparen."

Indem er den Verurteilten auch noch dazu brachte, auf Rechtsmittel zu verzichten, habe er sich zusätzlich die Urteilsausfertigung und eine schriftliche Begründung "geschenkt", rügte Habicher. Für den Verteidiger des angeklagten Richters waren das "formelle Haarspaltereien". Sein Mandant habe den Parteien zu einer richtigen und raschen Entscheidung verhelfen wollen, als der Firmenchef ohne Rechtsbeistand in die Verhandlung kam: "Wenn wir alle Fehler aufblasen wie diesen möglichen Fehler, würden wir unsere Zeit nur mehr in den Verhandlungssälen verbringen."

"Faul bin ich nicht", polterte im Anschluss der Richter, der betonte, nächstes Jahr sein 30-jähriges Dienstjubiläum zu feiern und noch niemals disziplinar- oder gar strafrechtlich belangt worden zu sein. Er habe sich vielmehr beruflich derart eingesetzt, dass er bereits einen Schlaganfall und einen Herzschaden davongetragen habe. In der betreffenden Causa sei das Verschulden der Firma ganz klar gewesen, was jene auch mündlich eingeräumt hätte. Daher habe es keines Beistands eines Anwalts bedurft, um zu einem Urteil zu gelangen.

Der Schöffensenat sah das anders, wobei sich die Vorsitzende vor allem auf die vorangegangene Zeugenbefragung des Firmenbesitzers stützte. Dieser habe - was das Rechtliche betrifft - im Zeugenstand den Eindruck vermittelt, "keine Ahnung von Tuten und Blasen zu haben". Gerade solche Personen müsse man aber "vor Übervorteilung schützen". Der Richter hätte daher keinesfalls "von der generellen Anwaltspflicht abgehen und keinen Rechtsmittelverzicht protokollieren lassen dürfen". Mit seinem Verhalten habe ihr Kollege "das Vertrauen der Bevölkerung in das Rechtssystem geschädigt".
 

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