Serie Teil 7

Prozess hinter verschlossenen Türen

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Das Landesgericht gleicht einer Festung.

Weil es im Vorfeld des Verfahrens Drohungen gegen den Angeklagten und seinen Anwalt Rudolf Mayer gab, wurde die Zufahrt zum Gericht gesperrt und bis zum Urteil am Freitag sogar ein Flugverbot über dem Areal verhängt. Rund ums Gerichtsgebäude am Schießstattring herrscht ab sofort absolutes Halteverbot (Abschleppzone). Vor dem Haus wurden Tretgitter aufgestellt, ein privater Sicherheitsdienst sorgt für die erste Zutrittskontrolle.

Zugang haben nur 95 akkreditierte Journalisten (und drei Kiebitze), was eine zweite Überprüfung am Eingang des Gerichtshofes sicherstellt. Die Mehrzahl der Berichterstatter muss draußen bleiben. Für sie wurde am Parkplatz des Gerichts ein 150-Quadratmeter-Pressezelt mit eigenem Handymast aufgebaut.

Strenge Kontrollen
Wenn Fritzl ab 9.30 Uhr seinen Geschworenen (vier Männer und vier Frauen plus vier Ersatzgeschworene) gegenübersitzt, eint ihn mit den Laienrichtern eines: Auch sie werden streng bewacht. Gemeinsam sind sie in einem geheim gehaltenen Hotel einquartiert, täglich werden sie in einem Kleinbus zum Prozess und zurück gebracht. Dem Gesetz nach sollten die Geschworenen unvoreingenommen sein, also möglichst noch nichts vom Inzest-Drama gehört haben. So viel zur Theorie. In der Praxis gilt für alle bis zum Urteil am Freitag: Wer mit Außenstehenden (auch Familienangehörigen) über das Verfahren spricht, wird sofort ausgeschlossen.

Der Ablauf
Der Sensationsprozess beginnt mit der Aufforderung an die Fotografen, den Saal zu verlassen. Dann vereidigt Richterin Andrea Humer (48) die Geschworenen. Solche mit Religionsbekenntnis schwören auf die Bibel, ihre große Aufgabe nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen, die anderen geben der Vorsitzenden ihr Versprechen in die Hand.

Nächster Schritt: Die Richterin fordert Josef Fritzl auf, am kleinen Zeugentisch Platz zu nehmen und fragt ihn (formell) nach seinen Personalien. Dann erteilt sie Staatsanwältin Christiane Burkheiser (32) das Wort, die mit der Verlesung der 26 Seiten starken Anklage beginnt. Sie wird Fritzl Mord, Sklaverei, Nötigung, Freiheitsberaubung, Vergewaltigung und Blutschande anlasten – und vermutlich auf Seite 8 ihrer Ausführungen stoppen. Denn da geht die Anklage ins Detail der Wahnsinnstaten. Und die Erörterung könnte den Persönlichkeitsschutz der Opfer verletzten.

Ausschluss der Öffentlichkeit
Einzige Frage am ersten Verhandlungstag ist: Wann wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen? Fragt Richterin Humer den Angeklagten noch vor vollem Auditorium, in welchen Punkten er sich schuldig bekennt? Falls ja, wird er sich weitgehend geständig zeigen – zu den schwerwiegenden Anklagepunkten (Mord und Sklaverei) aber sagen: „Nicht schuldig“. Möglich auch, dass Fritzls Anwalt Rudolf Mayer noch kurz vor Publikum zur Anklage Stellung nimmt.

Danach aber wird der Saal in jedem Fall geräumt. Und bis zur öffentlichen Urteilsverkündung am Freitag gilt: Was hinter den geschlossenen Türen geschieht, darf nicht veröffentlicht werden. Reportern, die sich nicht an das Verbot halten, drohen bis zu sechs Monate Haft.

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