23-Jährige muss nicht ins Gefängnis

Räuberin hetzte Kampfhund auf Touristen

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Dank privilegierter Gesetzesbestimmung für Drogensüchtige.

Eine 23-jährige Frau, die im Frühjahr in der Wiener Innenstadt in räuberischer Absicht ihren Kampfhund auf Touristen gehetzt hatte, ist am Dienstag rechtskräftig zu drei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden. Absitzen muss sie ihre Strafe aber vorerst nicht. Möglich macht das eine - in Juristenkreis nicht unumstrittene - Gesetzesbestimmung, die Suchtgiftabhängige privilegiert.

Ein Passus im Suchtmittelgesetz (SMG) sieht vor, dass Straftätern ihre Strafe aufzuschieben ist, wenn sie sich bereit erklären, sich einer Therapie zu unterziehen, um von ihrer Drogensucht loszukommen. Voraussetzung: die verhängte Freiheitsstrafe darf drei Jahre nicht übersteigen. Außerdem muss ein Teil der Therapie von bis zu sechs Monaten unter stationären Bedingungen stattfinden.

Diese vom Gesetzgeber vorgesehene Haft vermeidende Lösung war maßgeschneidert für die 23-Jährige, die nur mehr zugreifen, sprich: nach der Urteilsverkündung einen entsprechenden Antrag stellen musste. Da ein vom Wiener Straflandesgericht eingeholtes psychiatrisches Gutachten ihre Suchtmittelergebenheit bestätigte, war das Vorbringen ihres Verteidigers im Sinne des Gesetzgebers zu bewilligen. Die 23-Jährige wird zunächst sechs Monate stationär und weitere 18 Monate ambulant behandelt. Falls die Therapie erfolgreich verläuft, bekommt die Räuberin am Ende ihre Strafe zur Gänze bedingt nachgesehen.

Bei den Strafverfolgungsbehörden und in Teilen der Richterschaft sorgt die legistische "Sonderbehandlung" für Süchtige immer wieder für Diskussionen. Einerseits geraten Straftäter ins Hintertreffen, die an keine Drogen gewöhnt sind, so dass gerade bei Jugendbanden immer wieder der skurrile Fall eintritt, dass Rädelsführer ihre Haftstrafen nicht antreten, weil sie erwiesenermaßen ein Suchtproblem haben, während Mitläufer ins Gefängnis müssen, weil sie "clean" sind. Andererseits gilt das Motto "Therapie statt Strafe" explizit nur für an Substanzen im Sinne des SMG gewöhnte Verurteilte, aber nicht für Spielsüchtige. Wer einen Raub begeht, um seine Drogensucht finanzieren zu können, hat gute Chancen, nach seiner Verurteilung nicht in einer Justizvollzugsanstalt zu landen. Wer demgegenüber zum Räuber wird, weil er den "einarmigen Banditen" verfallen ist oder seine Casino-Besuche seine finanziellen Möglichkeiten übersteigen, kann sich diese Hoffnung abschminken.

Die 23-Jährige war ihren eigenen Angaben zufolge vollgepumpt mit LSD und Ketamin, als sie am 26. März in der Rotenturmstraße ihren Staffordshire Terrier mit einem Handzeichen auf ein schwedisches Ehepaar hetzte, das die Innenstadt besichtigte. Der Hund biss der Frau in den Bauch. "Ich hab die Versace-Tasche der Frau gesehen und mir gedacht, dass ich die nimm", hatte die Hundebesitzerin beim Prozessauftakt Ende Juni gestanden. Ihren Hund als Waffe eingesetzt zu haben, stellte sie in Abrede. "Daisy" sei "eigentlich voll brav", aber "ein Angstbeißer, wenn er merkt, dass ich nervös und im Stress bin".

Unmittelbar zuvor hatte die 23-Jährige versucht, mit Hilfe ihres Hundes einer 62 Jahre alten Wienerin die Handtasche zu entreißen. Ein Mitarbeiter einer Pizzeria beobachtete die Szene und kam der Frau zu Hilfe, so dass das Vorhaben der Räuberin scheiterte.

Der Schöffensenat wertete die inkriminierten Taten als vollendeten bzw. versuchten schweren Raub, womit ein erhöhter Strafrahmen von bis zu 15 Jahren zum Tragen kam. "Wir sind davon ausgegangen, dass der Hund als Waffe anzusehen ist und entsprechend verwendet worden ist", stellte der vorsitzende Richter Michael Tolstiuk klar.

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