Flo erschossen

SoKo überlegte U-Haft für Polizisten

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Die Sonderermittler wollten auch die Vernehmungsunfähigkeit des Angeklagten prüfen, wurden aber vom Gericht behindert.

Die Ermittler der Sonderkommission (SoKo), die die Vorgänge bei der tödlichen Schießerei in dem Kremser Supermarkt in der Nacht auf den 5. August 2009 aufzuklären hatten, wurden bei ihren Untersuchungen behindert. Bei der Staatsanwaltschaft Korneuburg gab es nämlich tagelang keinen zuständigen Sachbearbeiter, mit dem sich die Kriminalisten absprechen hätten können. Das geht aus einem Aktenvermerk des SoKo-Leiters Oberst Wolfgang Palmetshofer hervor, den Richter Manfred Hohenecker am Donnerstag im Verfahren um den erschossenen 14-Jährigen zitierte.

Vernehmungsunfähigkeit prüfen
Demnach wollte die SoKo die behauptete Vernehmungsunfähigkeit des 43-jährigen Beamten überprüfen lassen, der den tödlichen Schuss abgegeben hatte, um sich nicht dem Vorwurf auszusetzen, diesen und seine Kollegin, die ebenfalls geschossen hatte, tagelang nicht zu befragen. Den Kriminalisten schwebte die Beiziehung eines psychiatrischen Sachverständigen vor.

Eine solche hätte aber die Staatsanwaltschaft Korneuburg beantragen müssen, die am 6. August von der Kremser Anklagebehörde den Fall übernommen hatte.

U-Haft überlegt
Tagelang gab es für die Kriminalisten jedoch keinen Ansprechpartner bei der Staatsanwaltschaft. Die Ermittler überlegten sogar, ob für den unter Tatverdacht stehenden Polizisten nicht die U-Haft angebracht wäre, konnten das aber ebenfalls mit keinem Staatsanwalt besprechen. Erst am 10. August um 9.24 Uhr stand endlich fest, wer bei der Korneuburger Anklagebehörde für den brisanten, in der Öffentlichkeit breit diskutierten Fall zuständig war.

Der Richter bezeichnete den Inhalt des Aktenvermerks als "ziemlich grobe Kritik". Oberst Palmetshofer rückte im Zeugenstand keinen Zentimeter davon ab: "Das ist eine Fakteneinschätzung." Immerhin hätte er die im Raum stehende U-Haft "über wen auch immer durchsetzen müssen".

Palmetshofer versuchte seinen Angaben zufolge, über die OStA einen Ausweg aus der unbefriedigenden Situation zu finden, "weil etwas passieren muss". Vom Portier habe er eine Handynummer eines Journalrichters bekommen: "Ich wurde nie zurückgerufen."

Volle Aussagefähigkeit attestiert
Der Psychologe Roland Bugram bescheinigte dem angeklagten Polizisten "volle Aussagetüchtigkeit". Dem Beamten habe eine "leicht-bis mittelgradige akute Belastungsreaktion" zu schaffen gemacht, doch habe sich diese auf maximal 72 Stunden nach der tödlichen Schussabgabe beschränkt. "Mit Sicherheit reicht das nicht aus, um die Wahrnehmungsfähigkeit und Aussagetüchtigkeit beeinflussen zu können", sagte Bugram.

Keine Post-Shooting-Symptome
Der Sachverständige war beigezogen worden, um die unterschiedlichen Angaben zu beleuchten, die der 43-jährige Beamte im Lauf des gegen ihn gerichteten Strafverfahrens geliefert hatte. Das Gericht wollte abklären, ob beim Angeklagten sogenannte Post-Shooting-Symptome vorliegen könnten.

Laut Bugram hat der Polizist zweifellos eine Ausnahmesituation erlebt, als er sich mit vermummten Einbrechern konfrontiert sah und sich zur Schussabgabe entschloss. Den Beamten zeichnen aber "hervorragende, hochqualititative Bewältigungsstrategien" aus, so der Sachverständige: Dieser sei persönlich belastbar und in der Lage, Wut und Aggression hintanzuhalten. Er habe "zwei bis drei Tage" nach dem tödlichen Schuss an "Symptomen des Einsatzes gelitten", wobei Bugram "erhöhte Sensibilität", "ein gewisses Misstrauen" und "massive Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust" anführte. Anpassungsstörung oder gar eine posttraumatische Belastungsstörung lagen aber auf keinen Fall vor: "Da gibt es keine Hinweise. Er war ja relativ rasch wieder dienstfähig."

Will sich nicht erinnern können
Darauf angesprochen, dass sich der Polizist an gewisse Details - etwa den Abstand zum erschossenen 14-Jährigen im Zeitpunkt der Schussabgabe - nicht mehr erinnern kann oder will, vermutete Bugram, beim Angeklagten liege "Erinnerung vor, er möchte aber diese nicht abrufen oder wahrhaben". Bei unterschiedlichen Erinnerungen besteht dem Gutachter zufolge "die Möglichkeit, dass manche lügen und sich das eigene Versagen nicht eingestehen wollen".

Urteil für Freitag erwartet
Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Richter Manfred Hohenecker ersuchte den Angeklagten, sich den Strafantrag nochmal durchzulesen: "Die Staatsanwältin schreibt Ihre eigene Verantwortung in den Strafantrag rein! Überlegen Sie sich das noch einmal." Das Urteil soll am späten Nachmittag ergehen.

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