Nowotny freigesprochen

Vier Verurteilungen in Libro-Prozess

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In Wiener Neustadt endete heute der Prozess um die Büroartikel-Kette.

Im Libro-Strafprozess wurden heute, Dienstag, am Landesgericht Wiener Neustadt vier Schuldsprüche und ein Freispruch gefällt. Ex-Libro-Chef Andre Maarten Rettberg wurde zu 3,5 Jahren Gefängnis als Zusatzstrafe zu einer bereits verhängten Strafe verurteilt. Ex-Libro-Finanzchef Johann Knöbl erhielt vom Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Birgit Borns 4 Jahre Haft. Jeweils 3 Jahre Haft, davon ein Jahr unbedingt, erhielten der frühere Libro-Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann und Ex-Libro-Aufsichtsratschef Kurt Stiassny. Der frühere Libro-Aufsichtsratsvizepräsident Christian Nowotny wurde freigesprochen. Die Urteile sind nicht rechtskräftig, alle vier Verurteilten meldeten noch in der Verhandlung Rechtsmittel an.

50 Monate gesamt für Rettberg
Ex-Libro-Chef Andre Rettberg muss nun insgesamt für 4 Jahre und 2 Monate ins Gefängnis, sollte die heutige Verurteilung zu 3,5 Jahren Haft rechtskräftig werden. Rettberg war bereits 2006 wegen versuchter betrügerischer Krida zu einer Haftstrafe von 3 Jahren, davon 8 Monate unbedingt, verurteilt worden, hat aber diese Strafe bisher noch nicht angetreten.

Rettberg sowie die anderen drei heute Verurteilten wurden wegen Untreue und Bilanzfälschung schuldig gesprochen. "Dass Rettberg eine Bilanz nicht lesen konnte, davon ging der Senat nicht aus", sagte Richterin Borns am Dienstagnachmittag in der Urteilsbegründung. Vom Vorwurf der Anklage wegen schweren Betrugs wurden alle Angeklagten freigesprochen.

Fehlende Involvierung führte zu Nowotny-Freispruch
Den Freispruch für WU-Professor und Ex-Libro-Aufsichtsratsvizechef Christian Nowotny begründete die Richterin damit, dass dieser mehr als rechtlicher Berater tätig gewesen war und nicht so involviert in die Vorgänge. Schließlich habe Nowotny auch bei mehreren Libro-Aufsichtsratssitzungen gefehlt, hielt sie ihm zugute.

Den Schuldspruch für Ex-Libro-Wirtschaftsprüfer Bernhard Huppmann erläuterte die Richterin unter anderem damit, dass er trotz Zweifeln seines Prüferkollegen an der Bewertung von Libro Deutschland den Bestätigungsvermerk für die Libro-Bilanz 1998/99 erteilt habe. Im KPMG-Gutachten zum Wert von Libro Deutschland seien sehr wohl "rote Ampeln" eingebaut gewesen, allerdings habe die KPMG versucht, "es jedem recht zu machen", so Borns. Libro wäre für Huppmann durch den Börsegang zu einem attraktiven Kunden geworden, wertete sie als mögliches Motiv Huppmanns.

Angeklagte hielten sich bedeckt
Die rund ein Jahrzehnt nach den Vorgängen nun in erster Instanz nicht rechtskräftig Verurteilten Ex-Libro-Manager verfolgten die Urteilsverkündung im Landesgericht Wiener Neustadt mit steinerner Miene. Anschließend wollte keiner eine Erklärung gegenüber Journalisten abgeben. Der Anwalt von Nowotny, Wolfgang Brandstetter, zeigte sich "erleichtert" über den Freispruch für seinen Mandanten, den er aber erwartet habe. Ob der Freispruch für Nowotny rechtskräftig wird, hängt von Staatsanwalt Johann Fuchs ab. Dieser gab nach der Urteilsverkündung keine Erklärung ab und hat nun dafür drei Tage Zeit.

Die Verteidiger der vier Verurteilten haben alle gegen die Strafhöhe berufen und Nichtigkeitsbeschwerden angekündigt. Damit sind die Schuldsprüche nicht rechtskräftig. Über die Nichtigkeitsbeschwerden wird der Oberste Gerichtshof (OGH) entscheiden müssen.

Bilanzgewinn um 133 Mio. Schilling zu hoch angegeben

Der Schöffensenat unter Vorsitz von Richterin Birgit Borns bezifferte im Urteil den in der Bilanz 1998/99 ausgewiesenen Gewinn als um 133 Millionen Schilling (9,67 Mio. Euro) zu hoch. Die Ex-Manager hätten daraufhin eine "gemäß Aktiengesetz verbotene Sonderdividende" von 440 Mio. Schilling an die Zwischengesellschaft UDAG verfügt. Dazu hielt Richterin Borns in der Urteilsbegründung fest: Zwar könne eine Sonderdividende fremdfinanziert werden, allerdings "muss ein Gewinn vorliegen".

Auf die Strafhöhe hat sich Borns zufolge etwa die bisherige Unbescholtenheit und die lange Verfahrensdauer mildernd ausgewirkt. So seien die Strafen aufgrund der langen Verfahrensdauer um 18 Monate herabgesetzt worden, sagte sie in der Urteilsbegründung. Als strafverschärfend wurden die Begehung mehrere Taten sowie die hohen Schadensbeträge gewertet.

Richterin dankte Behörden
Richterin Borns nutzte in ihrer Begründung auch die Gelegenheit, sich für das gründliche Vorverfahren der Ermittlungsbehörden zu bedanken: Das sei so gewesen, wie man es sich als Richter wünsche. Im Laufe des Hauptverfahrens wurde der Akt lediglich "um drei oder vier Bände dicker", sagte sie.

Die Ermittlungen zur Causa Libro dauerten allerdings fast ein Jahrzehnt. Der Buch- und Papierhändler war 2001 in Ausgleich und 2002 in Konkurs gegangen, enttäuschte Anleger hatten in Folge der Insolvenz Anzeigen eingebracht.

Vom Vorwurf des Betrugs wurden alle fünf Angeklagten freigesprochen. Der Senat gehe nicht davon aus, dass Ex-Libro-Chef Andre Rettberg und Ex-Finanzvorstand Johann Knöbl die Telekom Austria im Zuge ihres Einstiegs bei Libro anlässlich des Börsegangs täuschen wollten. Sie hätten auch danach Libro-Aktien erworben und hätten an die Partnerschaft geglaubt, führte die Richterin aus.

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