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Bewaffneter Lenker auf der Flucht

Zwei tote Flüchtlinge in Kleinbus entdeckt: Fahndung nach Schlepper

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Polizei-Großeinsatz im Bezirk Eisenstadt – Fahndung nach bewaffneten Schlepper läuft.

Siegendorf. Am Dienstag kam es zu einer Tragödie an der burgenländischen Grenze: Bundesheer-Soldaten hielten in der Siegendorfer Puszta (Bezirk Eisenstadt-Umgebung) bei der Zuckerfabrik einen kleinen Kastenwagen auf, weil er ihnen verdächtig vorkam. Als sie die Türe des Fahrzeuges öffneten, machten sie die schlimme Entdeckung – zwei Flüchtlinge lagen unter den insgesamt 28 Insassen im Kleinbus, wie die Polizei gegenüber oe24 bestätigt. Die 26 weiteren Personen wurden aufgegriffen. Die Schlepper wären vermutlich weitergefahren – die Bundesheer-Soldaten verhinderten damit noch mehr Todesopfer.

Zwei tote Flüchtlinge in Kleinbus entdeckt: Fahndung nach Schlepper
© Thomas Lenger/Monatsrevue
× Zwei tote Flüchtlinge in Kleinbus entdeckt: Fahndung nach Schlepper

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Zwei tote Flüchtlinge in Kleinbus entdeckt: Fahndung nach Schlepper
© APA/ROBERT JAEGER
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× Zwei tote Flüchtlinge in Kleinbus entdeckt: Fahndung nach Schlepper

Die aufgegriffenen Personen sind derzeit in einer Aufarbeitungsstelle untergebracht, erklärte Landespolizeidirektor Martin Huber abends in der ORF-Sendung "Burgenland heute". Die Fahndung nach dem mutmaßlichen Schlepper sei auf Ungarn ausgeweitet worden, da der Täter nach Angaben des Bundesheeres in diese Richtung geflüchtet sei. Die Exekutive werde nun ihre Schwerpunktaktionen gegen die Schlepperkriminalität fortsetzen und die neuen Informationen in die Ermittlungen einfließen lassen. Allein in den vergangenen zehn Wochen seien 55 mutmaßliche Schlepper festgenommen worden, sah Huber einen "großen Erfolg".

Die beiden Männer dürften sich laut Polizei schon vor der Fahrt in einem schlechten körperlichen Zustand befunden haben, bevor sie starben. Sie dürften zwischen 25 und 30 Jahre alt gewesen sein. Den anderen Flüchtlingen sei es den Umständen entsprechend gut gegangen. Die 26 Männer benötigten keine ärztliche Hilfe. Sie wurden mit Wasser versorgt.

Die genaue Todesursache der beiden Flüchtlinge war am Dienstagnachmittag noch Gegenstand der Ermittlungen, sagte ein Polizeisprecher gegenüber der APA. Vorerst ging man nicht davon aus, dass sie wie die 71 Flüchtlinge 2015 in Parndorf erstickt seien. Dagegen spreche der gute Zustand der anderen.

"Wir konnten Schlimmeres verhindern", meinte Gerald Tatzgern, Leiter der Zentralstelle zur Bekämpfung der Schlepperkriminalität im Bundeskriminalamt. Die Fahndung sei noch im Gange, und ungarische Beamte seien bereits an Ort und Stelle. Man sei auch mit Budapest in Kontakt.

Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sagte: "Diese schreckliche Tat zeigt eines klar auf: Der Tod eines oder mehrerer Menschen wird von Schleppern bewusst in Kauf genommen." Seine Gedanken seien bei den Opfern und Angehörigen. Der Einsatz an der burgenländischen Grenze sei eine wichtige Maßnahme gegen Schlepperei. Heuer habe die Polizei bereits über 250 Schlepper festgenommen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) nannte die Ereignisse "eine furchtbare Tragödie". "Im nächsten Schritt weiß man aber auch, was das für unsere Soldaten im Assistenzeinsatz (an der Grenze zu Ungarn) heißt", sagte Tanner bei einem Besuch in Serbien gegenüber der APA. Die Ministerin will in Zukunft ganz vermeiden, dass Grundwehrdiener diesen sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz durchführen, sondern zumindest Personen mit sechsmonatigem Grundwehrdienst und zusätzlichen drei Monaten Ausbildung (6 plus 3). Derzeit sei noch "eine Handvoll" Grundwehrdiener dabei. Die heuer im Juli vorgenommene Aufstockung um 400 auf derzeit 1.239 am Assistenzeinsatz im Burgenland Beteiligte sei jedenfalls "notwendig" gewesen. Zu erhöhten Schlepperaktivitäten sagte Tanner: "Das fordert uns."

Im Fahrzeug waren keine Frauen & Kinder

Wie ein Polizeisprecher gegenüber der APA erklärte, habe es sich bei den Migranten um Syrer und Kurden gehandelt, im Fahrzeug waren keine Frauen und Kinder. Welche Nationalität die beiden ums Leben gekommenen Männer hatten, konnte er noch nicht sagen. Die aufgegriffenen Flüchtlinge wurden am Dienstagnachmittag zu den Vorgängen bei der Schlepperfahrt als Zeugen befragt. Hierzu war auch ein Dolmetscher an Ort und Stelle.

Das Gebiet rund um die Siegendorfer Puszta war im Zuge der Fahndung am Dienstagnachmittag weiträumig abgesperrt. Mit einem Polizeihubschrauber und Hunden wurde der Schlepper im Wald gesucht. Die Polizei ging davon aus, dass er bewaffnet sein könnte.

Todes-Drama sechs Jahre nach Parndorf-Tragödie

Das Burgenland ist schon einmal Schauplatz einer Flüchtlingstragödie gewesen. Am 27. August 2015 hatte ein Mitarbeiter der Asfinag auf der Ostautobahn (A4) bei Parndorf einen etwa 7,5 Tonnen schweren Kühl-Lkw entdeckt, der in einer Pannenbucht abgestellt war. In dem Lastwagen befanden sich die Leichen von 71 Flüchtlingen. Die drei Haupttäter wurden inzwischen zu lebenslangen Haftstraßen verurteilt.

Den Ermittlern, die den Lkw öffneten, bot sich ein grauenhaftes Bild. 71 Menschen aus Afghanistan, Syrien, dem Irak und dem Iran hatten auf engstem Raum in dem luftdicht abgeschlossenen Lastwagen um ihr Leben gekämpft. Unter ihnen befanden sich drei Familien mit mehreren Kindern. Die burgenländische Justiz bezifferte den Zeithorizont, in dem die Flüchtlinge in dem Lastwagen hätten überleben können, mit nicht mehr als drei Stunden. Es dauerte Tage, die Leichen aus dem Schwerfahrzeug zu holen. Monate vergingen, bis sie identifiziert waren.

Auch wenn das Drama in Österreich entdeckt worden ist, wurde der Sachverhalt in Ungarn gerichtlich abgehandelt. Die Flüchtlinge, die an der ungarisch-serbischen Grenze übernommen und in den Lastwagen gepfercht worden waren, sind mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit noch auf ungarischem Staatsgebiet gestorben. Folgerichtig übernahmen die dortigen Behörden das Verfahren, zuständig war die Staatsanwaltschaft Kecskemet, wo der Lkw gestartet sein dürfte.

Lebenslange Haftstrafen

Die drei Hauptverdächtigen wurden inzwischen in Ungarn zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Das Gericht betonte in der Urteilsbegründung, die Angeklagten seien sich darüber im Klaren gewesen, dass die Menschen im hermetisch abgeschlossenen Kühl-Lkw ersticken könnten. Sie wussten weiter, dass der Laderaum von innen nicht zu öffnen war. Der Tod der Flüchtlinge habe sich ereignet, da den Schleppern ihr eigenes Untertauchen wichtiger gewesen sei als das Leben der 71 Menschen.

Der Fall löste national wie international große Betroffenheit aus und hatte weitreichende politische Folgen. Nur wenige Tage nach dem Bekanntwerden des Dramas begann die große Flüchtlingswelle. Zehntausende hatten sich auf den Weg gemacht und reisten über den Balkan und Österreich weiter in Richtung Deutschland.

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