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Flick-Räuber waren eine "Kirchen-Bande"

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Die Budapester Polizei will Details zur Flick-Entführung bekannt geben. ÖSTERREICH erfuhr: Der Haupttäter ist ein „Kirchenvater“.

Eine Mauer des Schweigens, höchste Nervosität. Der ÖSTERREICH-Lokalaugenschein vor dem Polizeihauptquartier in der Teve Utca in Budapest zeigt, wie vorsichtig die ungarische Polizei im „Fall Flick“ geworden ist. Erfahrene ungarische Reporter stöhnen: „Es wird gemauert wie sonst nie, niemand will zuständig sein – bis zum Ministerium sind alle nervös.“

Erst Mittwoch Mittag wollen die ungarischen Behörden – gemeinsam mit BKA-Vertretern aus Österreich – in Budapest die ersten Details der Sargentführung bekannt geben und zu dem immer wirrer werdenden Fall Stellung nehmen.

Doppelleben
Ein Name wird dabei mit ziemlicher Sicherheit eine Hauptrolle spielen: Dr. Barnabas Sziraki. Der ungarische Kirchenrat und Jurist steht unter Verdacht, Drahtzieher und „Mastermind“ in der Entführung des Sarges gewesen zu sein. Offiziell wird Barnabas Sziraki – ein sympathisch wirkender Akademiker – von der Budapester Kirche „Cisterci Szent Imre“ als ihr „Kirchenvater“ bezeichnet, also als leitendes Mitglied des Kirchenrats. In Wahrheit soll er der Hausmeister dieser bekannten Kirche im Stadtteil Buda gewesen sein – mit der Pflege der Kirche soll er sich seinen Lebensunterhalt verdient haben.

Führte der sympathische Jurist, der Vater von drei Kindern ist, ein Doppelleben? Spielt die Kirche von Sziraki im Stadtteil Buda, in deren Nähe der Sarg in einem Wäldchen versteckt war, bei der Entführung eine Rolle? Handelt es sich bei den Entführern gar um eine Bande mit Kirchenverbindungen? Und steckt deshalb hinter dem Sargraub mehr als nur eine Lösegelderpressung?

Laut Insidern der Budapester Polizei spricht alles dafür, dass der Sargraub „eine normale Erpresser­Geschichte“ war – und dass der Jurist Barnabas aus reiner Geldgier in diesen Kriminalfall verstrickt sein dürfte.

Auf eigene Faust
Der aus Polizeikreisen in Erfahrung zu bringende Hintergrund des Sargraubs war simpel:
Die Budapest-Bande raubte den Flick-Sarg aus dem Mausoleum, brachte ihn in das Wäldchen nach Buda. Inszeniert von Dr. Sziraki wurde dann von Flicks Witwe via E-Mails ein Millionenlösegeld gefordert. Dabei hinterließen die Erpresser im Internet elektronische Spuren, die offenbar zu Sziraki führten.

Recherchen bringen jetzt ans Tageslicht, wie die Familie Flick dann in einem eindrucksvollen Coup sowohl die österreichische als auch die ungarische Polizei umgangen hat – und den Sarg des Milliardärs auf eigene Faust wieder nach Kärnten zurückholte:

  • Mehrere Informanten bestätigten, dass die Familie zunächst mit einer privaten Security eines prominenten österreichischen Industriellen eine private Internet-Fahndung startete. Dann wurden private „Agenten“ nach Ungarn geschickt, um dort die Erpresserbande ausfindig zu machen und Verhandlungen zu führen.
  • Entgegen offizieller Beteuerungen dürfte dabei hohes Lösegeld geflossen sein. Insider der Budapester Polizei bestätigten ÖSTERREICH, dass an Sziraki „zumindest 100.000 Euro in bar, vermutlich aber ein deutlich höherer Betrag“ als „Lock-Angebot“ übergeben wurde.
  • Schließlich kam es zweimal zu einer Übergabe der 100.000 Euro. In einem kleinen Waldstück im Stadtteil Buda wurde der Sarg schließlich von den Gangstern freigegeben.
  • Dann ging alles ganz schnell. ÖSTERREICH erfuhr: Das Bestattungsunternehmen PAX aus Klagenfurt wurde von der Familie mit der Rückholung des Sargs beauftragt. Ein Mitarbeiter des Unternehmens fuhr nach Ungarn und brachte Flicks Sarg über die Grenze zurück nach Kärnten, und zwar bereits am vergangenen Wochenende.

Ein perfekter Schachzug der Familie. Ohne viel Aufregung oder behördliche Bürokratie wurde der Sarg schon vor Tagen nach Kärnten geschafft. Erst diese Woche sollte die „Heimholung“ als Erfolg der Behörden verkauft werden – um die Lösegeldzahlung zu vertuschen.

Neben den Rätseln um das Motiv der Täter und die wahre Höhe der Lösegeldzahlung bleibt auch die Frage: Wer hatte Interesse daran, die Story des zurückgeholten Flick-Sarges zunächst Freitag früh in der ÖSTERREICH-Redaktion mitzuteilen und dann – als die Story in ÖSTERREICH (mangels Bestätigung durch Familie und Polizei) nicht erschien – am Sonntagabend der „Krone“ zu geben?

„Es herrschte Fassungslosigkeit. Niemand hat davon etwas gewusst“, sagt ein leitender Kärntner Polizeibeamter zu ÖSTERREICH.

Ein Thriller, bei dem die Medien bereits vor der Polizei von der Lösung des Falls verständigt werden, ist auch in der possenreichen heimischen Kriminalgeschichte ein Novum.

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