Brisantes Material

Geheimes Kampusch-Dossier

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Die Protokolle der Vernehmung waren bisher unter Verschluss.

Hochspannung gestern Vormittag im Grauen Haus der Wiener Staatsanwaltschaft: Aus dem Tresor wird die 15-seitige Abschrift des ersten Vernehmungsprotokolls von Natascha Kampusch geholt – eine der geheimsten Akten des Landes.

Prüfung, ob noch weitere Täter frei herumlaufen
Zwei Bundeskriminalamt-Ermittler nehmen im Beisein des Staatsanwalts Hans-Peter Kronawetter Einsicht in das brisante Schriftstück. Sie lesen das Dossier, machen sich Notizen. Kopieren oder abschreiben dürfen sie den Akt, der direkt nach Kampuschs Flucht aufgenommen wurde, nicht. Mehr als drei Stunden später verlassen die Ermittler die Staatsanwaltschaft.

Das Geheimdossier wurde bis Dienstag streng unter Verschluss gehalten – nur der zuständige Staatsanwalt, der Untersuchungsrichter und ein Ermittler der ersten Stunde nahmen bisher Einsicht. Gestern ging es den Kriminalisten vor allem um die Mehrtätertheorie – ob neben Wolfgang Priklopil noch weitere Personen an der Entführung von Natascha Kampusch beteiligt waren – und um den Verdacht der Kinderpornografie. Dazu Ludwig Adamovich, Chef der Evaluierungskommission in der Causa Kampusch: „Sollte etwas dran sein, dass auch noch andere Personen in die Sache verwickelt waren – dann geht es ja auch um Kampuschs eigenen Schutz, nämlich vor diesen Leuten. Und nicht um die Preisgabe irgendwelcher intimer Details, woran ja niemand denkt.“

Geschäftspartner von Priklopil weiter verdächtig
Die beiden Ermittler des BKA werden offiziell erst am Freitag Ergebnisse über die Einsicht präsentieren. Ersten Informationen zufolge dürfte der Geheimakt aber offenbar keine Hinweise auf weitere Mittäter beinhalten. Im Visier der Kriminalisten steht aber noch immer Priklopils Geschäftspartner Ernst H. – mit 100 Fragen an ihn will die SoKo den Fall endlich lösen. H. zu ÖSTERREICH: „Bisher hat dazu niemand von der Polizei mit mir Kontakt aufgenommen.“

Adamovich: "Es geht um Kampuschs Schutz"
ÖSTERREICH: Sie müssten hochzufrieden sein – die Einsicht in die Kampusch-Akten ist jetzt vollzogen.
Ludwig Adamovich: Das ist ein formaler Erfolg, der sicherlich als solcher zu werten ist. Es kommt aber drauf an, was in den Akten steht. Das weiß ich nicht, und bevor man das nicht weiß, kann man darüber keine abschließende Bewertung abgeben.
ÖSTERREICH: Was muss aus Ihrer Sicht jetzt passieren?
Adamovich: Es ist so, dass das Bundeskriminalamt schon gewisse Pläne hat, aber die kann ich im Einzelnen nicht verraten. Die Arbeit des Ersten Grazer Oberstaatsanwalts Thomas Mühlbacher ist nun jedenfalls abgeschlossen.
ÖSTERREICH: Gibt es weiteres unter Verschluss gehaltenes Material, wie etwa eine DVD mit intimen Aufnahmen Kampuschs?
Adamovich: Es gibt Verschiedenes, mit dem sich das Bundeskriminalamt derzeit beschäftigt. Ob es weiteres Material gibt, weiß ich nicht, ist aber möglich. Auf die Frage, wie lange die Ermittlungen dauern, kann ich mich nicht einlassen.
ÖSTERREICH: Haben Sie persönlich mit Kampusch gesprochen?
Adamovich: Nein, ich habe mit ihr noch nie persönlich gesprochen, das ist auch nicht meine Aufgabe.
ÖSTERREICH: Wie sieht Ihr Arbeitsprogramm jetzt aus?
Adamovich: Die Initiative liegt nicht bei uns, sondern beim Bundeskriminalamt, das einiges im Hinterkopf hat. Es wird oft der Eindruck erweckt, als würde zwischen Frau Kampusch und mir ein Gegensatz bestehen. Sollte etwas dran sein, dass auch noch andere Personen in die Sache verwickelt waren – dann geht es ja auch um ihren eigenen Schutz, nämlich vor diesen Leuten. Und nicht um die Preisgabe irgendwelcher intimer Details, woran ja niemand denkt, zumindest in unserem Umkreis nicht.
Markus Wolschlager

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