ÖSTERREICH-Interview

"Ich bin gebrandmarkt"

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U-Haft in Wr. Neustadt, Haft in Graz-Karlau, wieder U-Haft in Wr. Neustadt. „Zelle ist Zelle“, sagt Justizopfer Franz Ambrosi bei seinem ersten Kaffee in Freiheit zu ÖSTERREICH.

ÖSTERREICH: Wie marschiert man als freier Mann aus einem Gefängnis?
Franz Ambrosi: Es kam alles so überraschend. Meine Schwester hat mich heute in der Früh angerufen und gesagt: „Du kannst heimgehen.“ Aber erst, als einer der Wärter das Zellenfenster aufgemacht und gesagt hat: „Pack dich zamm, geh’ heim“, hab ich gewusst, ich komme von dort raus.

711 Tage unschuldig im Gefängnis. Was macht das aus einem Menschen?
In der Haft verändert man sich. Es verändert sich alles. Aber wenn man unschuldig dort ist, dann versteht man es einfach nicht. Man begreift es nicht. Ich konnte mich immer nur fragen: „Was soll ich denn bitte noch tun? Was soll ich euch noch beweisen?“ Und es gab eine Zeit, da hatte ich mich aufgegeben.

Wer oder was hat Ihnen geholfen, durchzuhalten?
Meine kleine Löwin. Das ist meine Schwester Monika. Natürlich auch mein Glaube und alle Freunde, die zu mir gehalten haben. Auch die Gefängnis­psychologin hat mir sehr geholfen. Ich war einmal pro Woche bei ihr in der Gesprächstherapie.

Haben Sie keine Angst, in Ihr altes Leben zurückzukehren?
Nein. Alle haben immer gesagt: „Der Franz soll das gemacht haben? Nie im Leben. Der rennt eher weg.“ Alle haben zu mir gehalten.

Wie soll Ihr neues Leben ausschauen?
Wie mein altes. Ich will wieder Betriebselektriker im Krankenhaus Mödling sein. Da bin ich eigentlich unkündbar. Und schließlich war ich zu Unrecht im Gefängnis.

Sie haben eine Tochter (14) und einen Sohn (22). Wie war das Verhältnis zu ihnen, während Sie in Haft waren?
Meiner Kleinen habe ich Briefe geschrieben. Ich weiß nicht, ob sie die bekommen hat. Ich wollte nicht, dass sie ins Gefängnis kommt. Das hätte sie nicht verkraftet. Es ist mein größter Wunsch, sie wiederzusehen. Aber ich weiß nicht, ob ich das darf. Schließlich hat sie bis jetzt immer nur die Version ihrer Mutter und deren Mutter gehört. Mein Sohn hat mich immer für unschuldig gehalten. Ich hatte eher Angst, dass er aus Verzweiflung meiner Ex-Frau etwas tut.

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