Prozess in St. Pölten

Mann erstochen: "Keine Absicht"

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Angeklagter bestritt Absicht und bekannte sich nicht schuldig.

Ein 37-Jähriger ist am Mittwoch wegen Mordes an einem Bekannten in St. Pölten vor Gericht gestanden. Laut Anklage hatte er den 39-Jährigen in der Nacht zum 2. Juli 2014 im Zuge eines Streits erstochen. Schauplatz war der Hof eines Mehrparteienhauses im Bezirk Amstetten. Der britische Staatsbürger bekannte sich nicht schuldig im Sinne der Anklage: "Die Stichwunde war keine Absicht", beteuerte er.

Staatsanwältin Barbara Kirchner warf dem Angeklagten zudem eine vorangegangene Körperverletzung vor. Der Vorfall im Mai 2014, als er einem Mann in einem Lokal in Waidhofen an der Ybbs ein Weinglas derart ins Gesicht schleuderte, dass diesem die Nase gebrochen wurde, zeige das hohe Aggressionspotenzial des bisher Unbescholtenen.

Viel Alkohol im Spiel

Am 1. Juli habe sich der Angeklagte nach der Arbeit im Bezirk Amstetten mit einem Bekannten getroffen und einiges an Alkohol getrunken, zu vorgerückter Stunde stieß das spätere Opfer dazu. Man saß auf einer Parkbank der Wohnanlage und unterhielt sich lautstark, als gegen 23.30 Uhr eine 30-jährige Bewohnerin die Männer in der Sorge, Nachbarn würden sich über den nächtlichen Lärm beschweren, in ihre Wohnung einlud.

Dort begannen dann der Angeklagte und sein Freund vermutlich aus Eifersucht zu streiten, schilderte die Anklägerin. Der 39-Jährige lief wütend aus der Wohnung - und tauchte mit zwei Messern wieder auf, die er aus seiner Wohnung geholt hatte. Als er erneut hinausging, sei ihm der Angeklagte gefolgt und habe ihn angeschrien, er werde ihm zeigen, wer der Stärkere ist. Dann packte der 37-Jährige seinen Kontrahenten laut Kirchner an beiden Handgelenken und führte dessen Hände mit den Messern zum Hals, wo die Klingen die Halsschlagader öffneten. Die Frau, die hinterher gelaufen war, verständigte die Rettung. Dem Opfer war aber nicht mehr zu helfen.

Staatsanwalt: Mord
Den tödlichen Messerstich selbst sahen die Zeugen nicht. Kirchner verwies aber darauf, dass der Sachverständige Druckstellen an den Handgelenken des Opfers festgestellt hatte. Der Angeklagte habe sich teilweise geständig gezeigt, jedoch nicht besonders viel zur Aufklärung des Hergangs beigetragen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handle es sich um Mord, weil der Mann die Tat angekündigt habe.

Verteidiger: Opfer "extrem aggressiv"
Sein Mandant habe dem 39-Jährigen die Messer eigentlich nur abnehmen wollen, was ihm aber nicht gelang, relativierte der Verteidiger das blutige Geschehen und verwies auf die Vita des Getöteten. Dieser sei offenbar ein "extrem aggressiver Mensch" gewesen, gegenüber anderen und auch sich selbst, der immer wieder "völlig aus dem Nichts heraus" ausgerastet sei.

So habe sich der Mann, der Kampfkünste beherrschte, seiner Mutter nicht mehr nähern dürfen, weil er sie "böse" bedroht hatte. Auch eine Kaffeehausbetreiberin habe er attackiert. Der 39-Jährige sei hochgradig selbstmordgefährdet und deshalb mehrfach in der Landesnervenklinik Mauer in Behandlung gewesen.

Auch an jenem Abend sei der 39-Jährige aus "nichtigem Grund" - weil er und der dritte Bekannte gehen sollten, der 37-Jährige aber noch bleiben wollte - ausgerastet und habe zwei asiatische Kampfschwerter geholt, betonte der Anwalt. Sein Mandant, der wenig später zur Arbeit hätte gehen wollen, habe befürchten müssen, dass der 39-Jährige ihn draußen "abpassen" wollte. Bei früheren Gelegenheiten sei es dem Briten immer gelungen, seinen Freund "zur Räson" zu bringen.

Nach den Worten des Verteidigers fanden sich auf einem Messer keinerlei Spuren des Angeklagten, das zweite habe dieser erst danach angegriffen. Sein Mandant habe nicht bemerkt, dass die Klinge auf der linken Seite in den Hals des Opfers eindrang, wie es zur Verletzung an der rechten Seite kam, sei auch unklar. Außerdem versuchte der 37-Jährige noch, den Schwerverletzten zu retten, indem er die blutende Wunde zudrückte.

Der Angeklagte schilderte das Geschehen als Gerangel, bei dem er nicht bemerkt haben wollte, wie die Verletzungen entstanden. Als er noch in der Wohnung war, habe er den 39-Jährigen draußen herumschreien gehört, und als er aus der Eingangstür trat, seien der dritte Bekannte und der 39-Jährige - mit den Messern in der Hand - einander in einem Meter Entfernung gegenüber gestanden. Er trat dazwischen und wollte dem Mann die Messer aus der Hand schlagen, erklärte er. Richterin Doris Wais-Pfeffer hielt ihm dazu drei frühere unterschiedliche Versionen vor, was er mit seinem "Schock" bei den ersten Einvernahmen begründete.

Völlig neu war für die Richterin auch die heutige Angabe des Beschuldigten, Angst gehabt zu haben, umgebracht zu werden. Vielmehr habe er selbst laut Aussage der 30-Jährigen "ich bring' dich um" geschrien, sei den 39-Jährigen nach Angaben des dritten Bekannten "angesprungen" und habe ihn auf die Parkbank gerissen.

Prozess vertagt
Der Prozess wurde am Nachmittag auf 8. Juni vertagt. Verteidiger Josef Gallauner hatte die Anhörung von weiteren Zeugen beantragt - zum Beweis für die Aggressivität des späteren Opfers. Staatsanwältin Barbara Kirchner will die beiden Beamten befragen, die die erste Einvernahme nach der Bluttat am 2. Juni 2014 durchgeführt hatten.





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