Mögl. Justiz-Irrtum

Mord-Prozess in NÖ wird neu aufgerollt

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Ein 39-Jähriger wurde wegen versuchten Mordes verurteilt. Jetzt kommt neues Verfahren. Das Wiener Oberlandesgericht hat dem Wiederaufnahmeantrag des Mannes stattgegeben.

Mit emotionaler Bewegung hat jener 39-jährige Mödlinger auf die bewilligte Wiederaufnahme seines Verfahrens reagiert, der in der Justizanstalt Graz-Karlau eine an sich bereits rechtskräftige zwölfjährige Freiheitsstrafe wegen Mordversuchs abzusitzen hätte. "Er hat mich umarmt. Er hatte Tränen in den Augen", berichtete seine Anwältin Karin Prutsch am Dienstag, nachdem sie dem Mann die Entscheidung des Wiener Oberlandesgerichts (OLG) mitgeteilt hatte.

Schuldspruch am 17.12.2007
Prutsch hat nun die Enthaftung des 39-Jährigen beantragt, der am 17. Dezember 2007 im Landesgericht Wiener Neustadt wegen versuchten Mordes an seiner Ehefrau schuldig gesprochen worden war. Dem Wahrspruch zufolge soll er am 28. Juni 2007 versucht haben, die Frau von hinten zu erdrosseln, was er allerdings stets in Abrede stellte. Er behauptet, von seiner Frau mit einem Messer angegriffen worden zu sein. Deren Würgemale führt er auf seine Gegenwehr zurück: Sie seien infolge seiner Abwehrhandlungen entstanden.

Dass es sich bei der Verurteilung in der Tat um einen möglichen Justizirrtum gehandelt haben könnte, förderte ein Privatgutachten zutage, das die Rechtsvertreterin des 39-Jährigen im Zuge des Wiederaufnahmeverfahrens vorlegte. Demnach können die erlittenen Stichverletzungen des Mannes aufgrund des Stichkanals nicht mit der Schilderung der Frau übereinstimmen, die angegeben hatte, von jenem von hinten gewürgt worden zu sein, dann nach einem Messer gegriffen und nach hinten auf ihren Mann eingestochen zu haben.

Obergericht korrigierte Beschluss
Während das Wiener Neustädter Gericht die Wiederaufnahme noch ablehnte, korrigierte das Obergericht nun diesen Beschluss, womit der 39-Jährige eine "zweite Chance" erhält, vor einem neu zusammengesetzten Schwurgericht seine Schuldlosigkeit zu beweisen. "Das Privatgutachten ist ein geeignetes Beweismittel, das zu einer anderen Beurteilung des Falles hätte führen können, wäre es zum Zeitpunkt der ersten Verhandlung bereits bekanntgewesen", erläuterte OLG-Sprecher Raimund Wurzer die Entscheidung seiner Behörde.

Tatverdacht bleibt bestehen
Das Urteil gilt damit als aufgehoben, was allerdings nichts am nach wie vor bestehenden Tatverdacht ändert, wie Hans Barwitzius, der Sprecher des Landesgerichts Wiener Neustadt, darlegte. Bei Tötungsdelikten ist die Verhängung der U-Haft obligatorisch, wobei das auch für jene Fälle gilt, bei denen es beim Versuch geblieben ist. Ob der Mann weiter in der Vollzugsanstalt Graz-Karlau bleibt oder dem Enthaftungsantrag seiner Rechtsvertreterin stattgegeben wird, soll noch in dieser Woche entschieden werden.

Die Neuauflage der Geschworenenverhandlung dürfte "noch vor der Urlaubszeit" stattfinden, so der Gerichtssprecher. An dieser werden sowohl jener Gerichtsmediziner teilnehmen, dessen Expertise die Wiederaufnahme des Verfahrens bewirkt hat, als auch sein Kollege, auf dessen Basis es im ersten Rechtsgang zur Verurteilung des Angeklagten gekommen war.

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