"De facto-Ausschluss"

Nächster Eklat bei Tierschützer-Prozess

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Der Gerichtssaal war quasi durch Polizei- und HAK-Schüler blockiert.

Noch bevor der 63. Verhandlungstag im Wiener Neustädter Prozess gegen 13 Tierschützer richtig begonnen hatte, war er auch schon wieder unterbrochen. Das Problem waren wieder einmal die Zuseher - aber nicht wie gestern wegen Protesten, sondern weil sich das Publikum am Donnerstag zum Großteil aus Polizei- und HAK-Schülern zusammensetzte und andere Zuschauer deswegen nicht mehr in den Saal kommen konnten. Die Anwälte übten Kritik an diesem "De facto-Ausschluss" der Öffentlichkeit, Beschuldigte blieben aus Protest dem Schwurgerichtssaal fern.

Es könne nicht sein, dass in einer solch kritischen Phase des Prozesses, wo die Teilnahme der Öffentlichkeit sehr wichtig sei, ein Großteil der Zuhörer dienstlich hier seien, führte Verteidiger Josef Philipp Bischof aus. "Das kommt meines Erachtens einem Ausschluss der Öffentlichkeit gleich." Gemeinsam mit den übrigen Anwälten stellte er daher den Antrag, die Öffentlichkeit zumindest soweit wieder herzustellen, dass auch ein Teil der anderen Zuhörer dem Verfahren beiwohnen könne.

Verteidiger Michael Dohr stimmte dem zu: Eine solche Auswahl der Öffentlichkeit sei gemäß der Strafprozessordnung (StPO) nicht zulässig. Dies sei sogar ein Grund für Nichtigkeit. Der Drittbeschuldigte wählte drastischere Worte: "Ich fürchte mich vor dem Gericht, wenn die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist", sagte er. Er kündigte an, die Verhandlung zu verlassen, sollte dies so bleiben.

Richterin Sonja Arleth reagierte mit Unverständnis. "Ich weiß nicht, welche Personen sich hier im Verhandlungssaal als Zuhörer aufhalten", betonte sie. Sie kenne das Publikum nicht. Auch nach Rücksprache mit dem Vizepräsidenten des Landesgerichts wies sie die Argumente der Verteidigung zurück. Platzkarten - 60 werden pro Verhandlung vergeben, 30 davon gingen an Polizeischüler, ein großer anderer Teil an HAK-Schüler - würden "lediglich nach zeitlichem Einlangen" ausgegeben. Außerdem verwies sie darauf, dass es diesbezüglich bereits eine parlamentarische Anfrage gegeben hatte, wonach die Vorgehensweise rechtens sei. Das sei "Justizverwaltungssache".

Sollten während des Verhandlungstages Zuseher den Saal verlassen, könne man deren Karten aber neu vergeben. Auch noch nicht vergebene Presseplätze könnten mit Zusehern besetzt werden, bot sie an. Die Anwälte zeigten sich nicht zufrieden. Nachfragen hätten gezeigt, dass die Plätze teilweise reserviert und im Voraus vergeben wurden, was den Angaben der Richterin widerspreche. Außerdem sei es Sache des Gerichts zu prüfen, ob Öffentlichkeit auch tatsächlich gegeben sei. "Öffentlichkeit sind alle Personen, die nicht an dem Verfahren beteiligt sind", war die Antwort.

Das Interesse an dem seit 2. März laufenden Verfahren ist in dieser Verhandlungswoche neu aufgeflammt: Bereits für Montag war die Einvernahme jener verdeckten Ermittlerin erwartet worden, die über ein Jahr im Verein gegen Tierfabriken (VgT) aktiv war. Die Befragung von "Danielle Durand", so ihr Deckname, verzögerte sich dann bis Mittwoch, da wurde jedoch abgebrochen, nachdem die vorgesehene kontradiktorische Einvernahme Proteste der Anwälte und Tumulte im Publikum ausgelöst hatte. Zuseher wurden von Polizisten aus dem Saal getragen.

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