Prozess Fall Krems

Polizist bekannte sich "nicht schuldig"

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Der Angeklagte hat einen 14-jährigen Einbrecher schossen. Details aus dem polizeiinternen Personalakt könnten ihn in zusätzlichen Erklärungsbedarf bringen.

Unter regem medialen Interesse hat am Mittwoch im Landesgericht Korneuburg der Prozess gegen den Polizisten begonnen, der in der Nacht auf den 5. August 2009 in einem Kremser Supermarkt einen 14-jährigen Einbrecher erschossen hatte. Der 43-jährige Beamte muss sich in einem auf drei Tage anberaumten Verfahren wegen fahrlässiger Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen verantworten. Zu Beginn der Verhandlung bekannte sich der Polizist "nicht schuldig".

Drei Jahre Haft drohen
Die Anklage legt ihm zur Last, "zumindest irrtümlich" einen Angriff auf seine Person angenommen und "in Furcht oder Schrecken" von seiner Dienstwaffe Gebrauch gemacht zu haben. Damit hat er nach Ansicht der Staatsanwaltschaft "das gerechtfertigte Maß der Verteidigung" überschritten. Im Fall eines Schuldspruchs drohen dem 43-Jährigen bis zu drei Jahre Haft.

Der 43-jährige Beamte legte dar, er wäre von einem Fehlalarm ausgegangen, als er mit seiner Kollegin zum Supermarkt gerufen wurde. Als er im dunklen Verbindungsraum vom Fleischanlieferungs- zum Verkaufsraum plötzlich zwei vermummte Gestalten im Lichtkegel seiner Taschenlampe wahrnahm, sei er "total erschrocken". "Ich war in Gedanken schon wieder draußen. Da sind plötzlich zwei Personen gehockt. Ich habe gesehen Kapuze, Vermummung, nur die Augen", schilderte der Angeklagte.

Angriff mit der Harke
Die Gestalten wären "aufgesprungen, in unsere Richtung. Einer hatte einen Gegenstand über dem Kopf". Florian P., der eine Gartenharke dabei hatte, habe ihn "angegriffen". Da habe er sich entschlossen, einen Warnschuss in die Ecke abzugeben, während seine Kollegin auf Roland T. feuerte, über den der Richter meinte, es wäre "höchst unwahrscheinlich, dass der etwas Waffenähnliches in der Hand gehabt hat": Der Schraubenzieher, den Roland T. eingesteckt hatte, fand sich noch in seiner Jacke, nachdem der damals 16-Jährige niedergeschossen worden war.

Beide vermummten Jugendlichen liefen aus dem Gang in den Verkaufsraum, wo Roland T. unmittelbar nach der Tür zu Boden ging: Die Beamtin hatte ihm mit einem Projektil beide Oberschenkel durchschossen. Während die Frau wie angewurzelt stehenblieb, folgte ihr Kollege Florian P., der sich im Verkaufsraum hinter einer Palette versteckt hatte.

"Sie dürften unter Adrenalin gestanden sein, kann man das so sagen. Sie sind in den Fight übergegangen", kommentierte der Richter dieses Verhalten. "Ich wollte nur raus. Aus Angst. Ich habe in mir das Gefühl gehabt, ich muss da raus. Ich habe Furcht und Angst gehabt", erwiderte der Polizist.

Richter glaubt nicht der Version
Der Richter machte deutlich, dass er dem nicht glaubte: "Ich behaupte: Sie waren auf Kampf. Sie waren auf Adrenalin und sind dem nachgegangen. Warum sagen's nicht einfach, sie wollten die festnehmen und sind mit gezogener Dienstwaffe nach? Keiner verlangt ja von einem Polizisten, dass er sich im Fleischraum verkriecht. Könnte man auch sagen, Sie waren auf der Jagd?" Der Beamte verneinte mit Bestimmtheit: "In diesem Zeitpunkt wollte ich niemanden verletzen." Er habe "Furcht und Angst vernommen".

Unmittelbar vor Abgabe des tödlichen Schusses will der angeklagte Polizist "von einem Geräusch, einem Schatten" im Bereich der Wursttheke abgelenkt worden sein. Das hatte er bei der Tatrekonstruktion angegeben und wiederholte er nun auch vor dem Richter. Im Unterschied zu seiner seinerzeitigen Angabe, derzufolge er sich nach rechts umgedreht - und damit ohne Florian P. anzusehen auf diesen geschossen habe - behauptete der Beamte jetzt aber, er habe bloß einen "Augensprung" gemacht, weil er mit einem Angriff von möglichen weiteren Komplizen der beiden Einbrecher gerechnet habe.

"Wo wollten Sie ihn treffen?", wollte Hohenecker wissen. "Wenn, im unteren Bereich", erwiderte der 43-Jährige. Getroffen wurde der Bursch allerdings in der Lunge, wobei er dem Beamten den Rücken zugekehrt hatte. "Einen halben Meter daneben schießen, wie geht das?", wunderte sich der Richter. "Das kann ich mir nicht erklären", sagte der Polizist.

Richter glaubt auch Polizistin nicht
Kurz, aber intensiv hat sich am Mittwochnachmittag die Einvernahme der 35-jährigen Polizistin gestaltet, die auf den 17 Jahre alten Komplizen des 14-Jährigen geschossen und diesen verletzt hatte. Richter Manfred Hohenecker gestand der Beamtin bis zum Zeitpunkt ihrer Schussabgabe ein Entschlagungsrecht zu, da ihr Verfahren von der Staatsanwaltschaft zwar eingestellt wurde - man billigte ihr eine notwehrfähige Situation zu - , die Rechtsvertreterin des 17-Jährigen allerdings einen Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens eingebracht hat, über den noch nicht entschieden wurde.

Folglich wurde die Beamtin nur über ihre Wahrnehmungen nach ihrem Schuss befragt, der beide Oberschenkel des 17-Jährigen durchschlagen hatte. Die 35-Jährige blieb bei ihren bisherigen Angaben. Sie habe nicht mitbekommen, wie ihr Kollege im Supermarkt auf Florian P. feuerte, weil sie wie angewurzelt im Verbindungsgang zum Verkaufsraum stehen geblieben sei: "Ich bin eine gefühlte Ewigkeit stehen geblieben. Ich bin raus, nachdem ich einen Schuss gehört habe von draußen. Ich habe es nicht gesehen. Ich war nicht dabei. Ich war gelähmt. Ich habe nichts gesehen. Ich war im Verbindungsgang."

Der Richter machte deutlich, dass er der Zeugin das nicht glaubte: "Es gibt gewisse Verdachtsmomente, dass Sie mehr wissen, als Sie bisher gesagt haben. Es gibt gewisse Hinweise, dass Sie in Wahrheit mehr wissen."

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