Kein Bleiberecht

Arigona ist sprachlos wegen drohender Abschiebung

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Die 15-jährige Kosovarin hat in einer ersten Reaktion kein Wort herausgebracht. Ihr Betreuer, Pfarrer Josef Friedl, hat für sie gesprochen.

Arigona Zogaj und Pfarrer Josef Friedl haben sich am Freitagnachmittag im Pfarrheim von Ungenach im Bezirk Vöcklabruck in Oberösterreich den Medien gestellt. Gesprochen hat nur der Geistliche, das Mädchen war nicht fähig zu reden, beide kämpften mit den Tränen. Der Geistliche versicherte, dass Arigona bleiben wolle und eine Rückkehr in den Kosovo als "Zerstörung ihres Lebens" sehen würde.

Was die ebenfalls noch in Österreich befindliche Mutter anlangt, haben sich die Behörden dem Pfarrer zufolge überhaupt nicht geäußert. Laut ORF Oberösterreich darf sie so lange wie ihre Tochter bleiben.

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Zurück in den Kosovo im Sommer
Der Verfassungsgerichtshof hatte der Beschwerde der Familie gegen die Verweigerung der Erstniederlassungsbewilligung nicht stattgegeben. Dann hätte zwar ÖVP-Innenminister Günther Platter ein humanitäres Aufenthaltsrecht erteilen können, hat er aber nicht. Arigona darf daher nur mehr bis zum Schulabschluss im Sommer 2008 bleiben.

Friedl rechnet mit dem Schlimmsten
Friedl zufolge hat die Hiobsbotschaft Arigona wie ein Blitz getroffen: "In einer Panikreaktion weiß ich nicht, was sie macht". Über die Mutter Nurie sagte er, sie sei in Behandlung und nehme täglich sechs bis sieben Tabletten. Der behandelnde Psychiater habe ihm aber keine große Hoffnung gemacht: "Meine Angst ist, dass sie an gebrochenem Herzen stirbt".

Wovon sollen sie leben
Außerdem fragt sich der Pfarrer, wer die beiden erhalten soll. Nurie hätte zwar einen Arbeitsplatz, dürfe aber nicht arbeiten und auch keine offizielle Unterstützung annehmen. Nach ihrem Spitalsaufenthalt nach einem Nervenzusammenbruch habe man von ihr sogar die Kosten von 5.000 Euro verlangt. Inzwischen habe SPÖ-Soziallandesrat Josef Ackerl für eine Versicherung gesorgt.

Chance beim Verwaltungsgerichtshof
Der Anwalt von Arigona hat mittlerweile beantragt, das Verfahren an den Verwaltungsgerichtshof abzugeben. Das hat wenigstens aufschiebende Wirkung. Alle weiteren Schritte müssen noch beraten werden.

Platters begründet sein Nein
Begründet wurde die Verweigerung des humanitären Aufenthaltsrechts damit, dass die Voraussetzungen eines humanitären Aufenthaltstitels nicht erfüllt bzw. die Gründe überwiegend gegen eine Erteilung sprechen würden. Die Familie Zogaj war 2002 mit Schlepper-Hilfe dem Vater nach Österreich nachgekommen, obwohl sein Asylantrag bereits negativ beschieden worden war.

Trotzdem sind zwei aussichtslose Asylanträge gestellt worden. Dreimal hat die Familie Verfassungs-und Verwaltungsgerichtshof angerufen, wobei die Höchstgerichte stets negativ entschieden.

"Bindung zum Heimatstaat besteht"
Das Innenministerium begründet die Ablehnung weiters damit, dass die Familie ihrer seit 2004 rechtskräftigen Ausweisungsentscheidung nicht nachgekommen sei. Bemerkenswert: Auch die Abschiebung von Vater und Geschwistern im September wird als Grund für den verweigerten humanitären Aufenthalt angeführt: "Es ist evident, dass starke Bindungen zum Heimatstaat bestehen, da sich große Teile der Familie im Kosovo befinden."

Beim Verfassungsgerichtshof abgeblitzt
Die Familie Zogaj hatte sich zunächst an den Verfassungsgerichtshof gewandt, nachdem die Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck ihren Antrag auf Erstniederlassungsbewilligung abgewiesen hatte. Allerdings konnten die Verfassungsrichter darin keine Verletzung der Menschenrechtskonvention erkennen. Grund: Diese Frage war bereits beim 2004 rechtskräftigen Ausweisungsverfahren geprüft und verneint worden, und die Familie hätte nicht berufen.

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Kein Gusenbauer-Kommentar
SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer wollte den Fall Arigona am Freitag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel nicht kommentieren. Er meinte nur, dass es bei dem Gipfel um europäische Themen gehe und er hier nicht die Innenpolitik kommentieren wolle.

Grüne: "Fast schon Empfehlung" des VfGH für Bleiberecht
Die Grüne Menschenrechtssprecherin Brigid Weinzinger fordert wieder ein Bleiberecht für Arigona Zogaj und ihre Mutter. Der Hinweis des Verfassungsgerichtshofs, dass die Ablehnung der Beschwerde nicht heiße, Arigona Zogaj und ihre Mutter müssten nun abgeschoben werden, sei ja "fast schon eine Empfehlung" an Innenminister Günther Platter, hier einen humanitären Aufenthaltstitel zu gewähren, sagte Weinzinger am Freitag.

BZÖ: "Akt der Menschlichkeit"
Das BZÖ hat sich mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes (VfGH) im Fall der Familie Zogaj zufrieden gezeigt. Generalsekretär Gerald Grosz sieht nicht nur einen "Akt der Menschlichkeit", sondern auch einen "klaren gesetzlichen Auftrag", sagte er bei einer Pressekonferenz am Freitag. Innenminister Günther Platter (V) müsse nun schnell handeln, lautet der orange Appell.". "Besonders schändlich" sei es gewesen, dass SPÖ und Grüne dieses Mädchen zum "Spielball ihrer parteipolitischen Interessen" gemacht hätten, statt an das "Wohl der Familie" im Kosovo zu denken.

Oberösterreichischer LR Ackerl: "Wie ein Hinrichtungsaufschub"
"Das ist wie ein Hinrichtungsaufschub in den USA." Scharf hat Oberösterreichs Soziallandesrat Josef Ackerl auf die Ankündigung von Innenminister Günther Platter reagiert, wonach Arigona Zogaj kein humanitärer Aufenthalt gewährt, aber ein Schulbesuch bis zum Sommer ermöglicht werden soll. Er habe sich gedacht, dass der Innenminister "im Sinne seines christlichen Parteigedankens" positiv entscheiden werde, erklärte Ackerl. Platter wolle aber offenbar ein Exempel statuieren und stelle Prestige über Gnade. "Das Hirn hat über das Herz gesiegt", sagte der Landesrat. "Das ist für mich nicht nachvollziehbar."

FPÖ: H.C.Strache für Familienzusammenführung im Kosovo
FPÖ-Bundesparteiobmann HC Strache begrüßte in seiner heutigen Pressekonferenz die Abweisung der Beschwerde der Familie Zogaj durch den VfGH. Dies bedeute, dass der Vater der Familie Zogaj zu Recht abgeschoben worden sei. Das Recht auf ein Familienleben müsse gewährleistet werden. Daher müsse es nun zu einer Familienzusammenführung kommen, und zwar im Kosovo.Strache sprach sich entschieden gegen ein Bleiberecht aus.

Van der Bellen (Grünen): Menschenverachtende Zermürbungstaktik des Innenministers
"Familie Zogaj war fünf Jahre in Österreich, voll integriert, die Ortsgemeinschaft hat sich für die Familie eingesetzt und auch das Bundesland Oberösterreich fordert den humanitären Aufenthaltstitel. Nach Artikel 8 der EMRK soll ein Bleiberecht nur dann verwehrt werden, wenn es massive öffentliche Sicherheitsinteressen gibt, die dagegen sprechen. Rechtlich ist das Vorgehen von Platter völlig unschlüssig", so Van der Bellen.
"Es ist absolut herzlos, der Familie die Ablehnung des Aufenthaltsrechts in Österreich unter den Weihnachtsbaum zu legen. Offenbar soll Familie Zogaj psychologisch so zermürbt werden, dass sie aufgibt. Das ist des Staates Österreich unwürdig und eine menschenrechtliche Blamage. Die Grünen fordern ein sofortiges Bleiberecht für die gesamte Familie Zogaj", schließt Van der Bellen

Josef Kalina (SPÖ Bundesgeschäftsführer): Arigona soll bleiben dürfen, Integration geht vor Neuzuzug
"Arigona Zogaj und ihre Mutter sind bestens integriert in Oberösterreich, ich sehe keinen Grund für eine Abschiebung", erklärte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina im ORF-Mittagsjournal. Er wünsche sich, "dass man das Mädchen und seine Mutter jedenfalls hierlässt", zehn Tage vor Weihnachten sei "für Innenminister Platter die Stunde der Wahrheit gekommen". "Die Integration jener, die sich hier gut eingelebt haben, geht eindeutig vor dem Zuzug neuer Ausländer, wie er dauernd von der ÖVP verlangt wird", so Kalina. "Bei gut integrierten Flüchtlingen und unbescholtenen Asylwerbern, die seit Jahren im Land sind, hier arbeiten oder zur Schule gehen, soll von Fall zu Fall überprüft werden, ob nicht ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu verleihen ist", so Kalina. Im Fall Arigona Zogaj seien diese Voraussetzung auf alle Fälle gegeben, schloss Kalina.

Elisabeth Hlavac (SPÖ Integrationssprecherin): Arigona Zogaj soll bleiben - jetzt nicht den Minister Gnadenlos machen!
"Arigona Zogaj ist bestens integriert und soll in Österreich bleiben", forderte Hlavac. Der Verfassungsgerichtshof habe in seiner Stellungnahme ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Innenminister Platter weiterhin ein humanitäres Aufenthaltsrecht gewähren kann, "sein Handlungsspielraum bleibt durch die VfGH-Entscheidung unberührt". "Ich appelliere an Minister Platter im Falle Arigona Zogajs von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen", sagt Hlavac. "Platter soll jetzt nicht den Minister Gnadenlos machen", fordert Hlavac. "Es ist völlig verkehrt, bestens integrierte Menschen aus Österreich abzuschieben, obwohl die ÖVP auf der anderen Seite billige Arbeitskräfte nach Österreich holen will", so Hlavac abschließend.

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