Mordversuchs-Prozess in Linz

Mann stach mehrmals auf Ehefrau ein

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Afghane bestreitet in Linzer Prozess Tötungsabsicht.

Weil er versucht haben soll, seine Frau mit einem Messer zu töten, hat sich am Mittwoch ein afghanischer Asylwerber in Linz vor Gericht verantworten müssen. Er gestand die Tat, bestritt aber jede Tötungsabsicht. Im Prozess entspannten sich längere Diskussionen um das Alter des Angeklagten, der sagte, zum Tatzeitpunkt erst 21 Jahre alt gewesen zu sein. Ein Urteil wurde für den Abend geplant.

Der Angeklagte und seine 17 Jahre ältere Frau flüchteten 2015 aus der Türkei nach Österreich. Wie Staatsanwältin Gudrun Dückelmann schilderte, sei es immer wieder zu Streit gekommen. Der Mann habe der Frau mehrfach gedroht, sie zu töten, sollte sie ihn verlassen. Sie ließ sich immer wieder überreden zu bleiben, nicht zuletzt, weil sie nach ihrer Ankunft in Österreich festgestellt hatte, dass sie schwanger war. Der gemeinsame Sohn ist heute knapp eineinhalb Jahre alt.

Messerstiche auf Ehefrau

Am 13. Mai 2017 kam es in einer Asylunterkunft in Walding (Bezirk Urfahr-Umgebung) zu der Tat, die die Staatsanwaltschaft als Mordversuch wertet: Der Angeklagte hatte mit einem Gast Wodka getrunken - 1,4 Promille ergab ein späterer Test. Nachdem der Saufkumpan gegangen war, kam es zu einem handgreiflichen Streit zwischen den Ehepartnern, im Zuge dessen er die Frau mit einem Messer attackiert habe. Angriffe auf den Hals habe sie abwehren können, daraufhin habe er sie in Bauch und Brust gestochen, schilderte Dückelmann. Als die Frau schrie und andere Hausbewohner munter wurden, flüchtete der Angeklagte über den Balkon. Die Verletzungen des Opfers waren schwer. Laut Medizinern sei es nur dem Zufall zu verdanken, dass keine Organe tödlich verletzt wurden.

Verteidiger Markus Klepp sagte, sein Mandant werde sich nicht schuldig im Sinne der Anklage bekennen. Er gebe zu, seine Frau mit dem Messer verletzt zu haben, habe sie aber nicht töten wollen. Er verwies auf die Lebensgeschichte des Afghanen, der bereits seit dem sechsten Lebensjahr habe arbeiten müssen, keine Schulbildung bekommen habe und mit seiner Frau geflüchtet sei, weil die Familien der beiden gegen die Beziehung waren.

"Kein gewalttätiger Mensch"

"Ich bin kein gewalttätiger Mensch", sagte der Angeklagte. Von Richter Walter Eichinger auf einen Raufhandel und diverse andere Vorfälle in der Justizanstalt angesprochen meinte er: "Das war nur eine kleine Streiterei." Ein Mithäftling habe seine Mutter beleidigt. Die Attacke auf seine Frau schiebt er auf den Alkohol. Laut Gutachten der Psychiaterin Adelheid Kastner sei er aber zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen.

Diskussionen gab es um das Alter des Angeklagten: Er behauptet, er sei im Juni 1996 geboren - damit wäre er zum Tatzeitpunkt im Mai 2017 erst 21 Jahre alt gewesen, was den Strafrahmen auf 15 Jahre senkt. Auf die Frage von Richter Walter Eichinger, ob er sein Geburtsdatum auch in der afghanischen Zeitrechnung angeben konnte, antwortete er aber ausweichend.

Angeklagter laut Gutachten zurechnungsfähig

Die psychiatrische Sachverständige Adelheid Kastner attestierte dem Mann zum Tatzeitpunkt Zurechnungsfähigkeit. Er sei durch Alkohol beeinträchtigt, aber noch orientiert gewesen. Seine Angaben ihr gegenüber bezeichnete sie als "wechselhaft". Vom Angeklagten vor Gericht behauptete Erinnerungslücken seien "medizinisch nicht erklärbar".
 
Der Angeklagte hatte bei seiner Einvernahme am Vormittag plötzlich gesagt, er könne sich nicht mehr genau an den Tatablauf erinnern. Er räumte allerdings auf Nachfrage der Staatsanwältin, ob er seine Partnerin mit dem Messer angegriffen habe, ein, "dass mir das passiert ist". Zu seiner Flucht durch einen Sprung vom Balkon im ersten Stock hatte er bei der Polizei gesagt, er habe nicht flüchten, sondern sich umbringen wollen. Nun wusste er nicht mehr, ob er über den Balkon oder auf einem anderen Weg das Haus verlassen habe.
 
Kastner führt aus, der Angeklagte leide weder an einer Geisteskrankheit noch an einer Persönlichkeitsstörung. Er verfüge zwar über eine unterdurchschnittliche Schulbildung, sei aber nicht minderbegabt, sondern im praktischen Leben sogar "gewieft". Es gebe auch keine Anzeichen auf eine posttraumatische Belastungsstörung. Eine große Gefährlichkeit sieht Kastner nicht. Allerdings sei es möglich, dass der Afghane in weiteren Partnerschaften wieder in Konflikte gerate.
 

Alkohol- und Drogenkonsum

Der Angeklagte habe in Österreich begonnen Alkohol und auch Drogen zu konsumieren, so die Psychiaterin. Am Tatabend sei er "mittelgradig alkoholisiert" gewesen. Vom Test rückgerechnet dürfte er zum Zeitpunkt der Messerattacke zwischen 1,5 und 2,5 Promille gehabt haben. Aus seinen Handlungen ergebe sich aber, dass er noch fähig zu zielgerichteten Handlungen, also orientiert gewesen sei.
 
Der Gerichtsmediziner Johann Haberl erklärte, dass es beim Opfer keine schweren Dauerfolgen gebe. Wohl seien aber ausgeprägte Narben geblieben - nicht nur durch die Stiche, auch durch die Notoperation. Die Bauchverletzung sei potenziell lebensbedrohlich gewesen. "Wenn man mit einem Messer gegen den Bauch- oder Brustbereich sticht, ist damit zu rechnen, dass dieser Angriff schwere lebensbedrohliche Verletzungen nach sich zieht." Hätte der Angeklagte die Frau - wie er es laut Anklage zu Beginn versucht habe - in den Hals gestochen, wäre auch das potenziell lebensbedrohlich gewesen, so Haberl.
 
Bei der Einvernahme des Opfers wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen, auch der Angeklagte musste den Gerichtssaal verlassen. Die Frau blieb laut Gericht im Wesentlichen bei ihren bisherigen Aussagen und beschrieb die Vorgänge wie in der Anklage.
 
Am späten Nachmittag standen noch die Schlussplädoyers von Anklage und Verteidigung am Programm. Ein Urteil ist am Abend zu erwarten.
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