Vom FBI entführt

So verwahrlost lebt Johanna jetzt

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Aus der Idylle (Österreich) in die Einöde am Ende der Welt (Virginia). ÖSTERREICH traf Johanna M. (6), die das FBI in die USA bringen ließ. Der Vater: „Das ist, was sie will.“

Der Vorhang wird sanft zur Seite geschoben, ein kleines Stück nur. Das Mädchen blickt neugierig aus dem Fenster. Sie hat fremde Stimmen gehört. Selten hier in dem verlassenen Winkel.

Ein heruntergekommenes Holzhaus mitten im Wald nahe dem Nest Willis, US-Bundesstaat Virginia. Vor der Garageneinfahrt sieht das Mädchen ihren Vater mit Reportern reden. Vielleicht denkt sie sich: „Sind das die Leute, die mich wieder nach Österreich bringen – zu meiner Mama?“

Johanna (6) – ihre Geschichte rührt derzeit Österreich. Ihr US-Vater Adam Morrison (41) hatte sie am 16. April in die USA gebracht. Die Umstände waren dramatisch. 15 Beamte (Polizei, FBI-Beamte, Angehörige der US-Botschaft) kamen, holten das Mädchen aus dem Kindergarten in Bad Ischl (OÖ). Die Mutter wurde wegen eines dubiosen Haftbefehles in U-Haft gesteckt. Als sie 24 Stunden später freikam, war ihr Kind weg. Sie hatte das alleinige Sorgerecht, ein Welser Gericht verbot, dass Johanna mit ihrem Vater aus Österreich ausreisen darf.

Alles Makulatur, ein Fetzen Papier, nichts wert.Mutter Andrea Morrison (39) sitzt daheim, weint sich die Augen aus dem Leib.

Ende der Welt
ÖSTERREICH fand jetzt das süße, blonde Mädchen, das seit einem Monat im letzten Winkel des bewaldeten Appalachen-Mittelgebirges im US-Bundesstaat Virginia lebt. Zu erreichen ist das Haus über eine halb weggespülte Schotterstraße. Äste des dichten Gestrüpps schleifen am Wagen. Unsere Suche dauert fünf Stunden. Es gibt keine Adresse, kein Hausschild, keiner redet mit uns.

Vater lallt
Dann stehen wir vor dem Holzhaus. Adam M. kommt auf uns zu: „Wir wollen nicht gefunden werden ...“, sagt er.

Der hagere Mann steht unentschlossen vor uns, zieht an einer Zigarette, die Hände zittern. Die Haare hängen ungewaschen in die Augen. Es ist kurz nach 14 Uhr, doch er lallt. Seine Augen sind blutunterlaufen, die Zähne braun. Von einer langjährigen Drogensucht, erzählte Ex-Partnerin Andrea.

„Johanna geht es gut“, sagt er: „Hier zu leben ist genau, was sie will.“ Gerade habe sie ein Playdate, ein Spieltreffen mit einer Freundin. Doch im Garten liegt kein Spielzeug. Übertriebene Ordnungswut ist dafür kaum verantwortlich: Sonst ist der Garten übersät mit Gerümpel.

„Können wir sie sehen? Mutter Andrea ist außer sich vor Sorge.“

„Das kann ich nicht zulassen“, winkt er ab. Doch Johanna hat uns längst bemerkt: Sie läuft auf uns zu, wirkt verschreckt, ihr Blick ist leer. „Verschwindet sofort hinein“, herrscht Adam M. seine Freundin mit Dreadlocks und Fetzenjeans an. Johanna folgt ihr. Kurz dreht sie sich um, dann ist sie fort.

„Schickt Gewand“
Adam, M. redet mit uns. „Ja“, sagt er. Johanna vermisse ihre Schwester Erika (2) und ihre Mutter ... Er selbst hat seine Tochter vor der Rückholung zuletzt im Babyalter gesehen. Doch er fasst sich, fügt trotzig an: „Andrea kann ja herkommen.“ Und dann fällt ihm noch was ein: „Sie könnte auch Gewand für die Kleine schicken ...“

Wovon er lebt? „Ich betreibe eine Catering-Firma“, sagt er. Wie gut die Geschäfte in einer Einöde laufen, wo Einwohner mehr Waffen in der Scheune als Zähne im Mund haben, ist unbekannt. Im nahen Dorf Meadows of Dan wäre die Schule, falls Johanna hier im Herbst in der ersten Klasse startet. Der Rest des Ortes: Tankstelle, US-Flagge, Postamt, Laden, Souvenier-Shop.

Anklage
Sackgasse, die traurige Wahrheit: Johannas Leben – es geht wohl hier weiter. Im Sorgerechtsstreit hat der Vater die besseren Karten. Andrea, die mit sechs mit ihrer Wiener Mutter nach Detroit zog, wird ihre Tochter lange nicht mehr sehen. In den USA ist sie angeklagt wegen Kindesentführung, weil sie nach Ansicht der USA-Behörden 2007 illegal ausreiste (Aktenzahl 2:09-cr-20179).

Was zählt da schon der traurige Blick eines Kindes?

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