"Hilfeschrei"

14-Jähriger beging 25 Straftaten: 10 Monate Haft

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Pongauer Schüler bekommt in bayerischer Jugendeinrichtung eine neue Chance.

Es ist wohl ein Hilfeschrei gewesen, warum ein von seiner Familie vernachlässigter 14-jähriger Schüler aus dem Pongau rund 25 Straftaten in seiner Umgebung begangen hatte. Zu dieser Erkenntnis kam bei einem Prozess heute, Donnerstag, in Salzburg nicht nur der Verteidiger des strafmündigen Angeklagten, sondern auch der Gerichtsgutachter. Der umfassend geständige Teenager erhielt eine bereits rechtskräftige Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Er wurde enthaftet und fuhr anschließend aufgrund einer gerichtlichen Weisung in eine bayrische Jugendhilfe-Einrichtung.

Die Palette der Vorwürfe im Tatzeitraum November 2012 bis Februar 2013 reicht von Raub, gewerbsmäßigen schweren Diebstahl durch Einbruch, Körperverletzung und Sachbeschädigung bis zur Tierquälerei. Der Bub hatte jene Katze mit einem Fleischklopfer erschlagen, die ihn als Sechsjährigen gekratzt und gebissen hatte. Neuropsychiater Ernst Griebnitz fand eine Erklärung dafür: "Diese Aggressionshandlung ist als Ausdruck der Verzweiflung anzusehen. Er hat sich in seiner sozialen Umgebung unverstanden und ungeliebt gefühlt." Der 14-Jährige sagte, "ich habe mich scheiße gefühlt".

Mehrmals war der Bursch von zu Hause ausgerissen, streunte tagelang umher und brauchte Geld, wie er sagte. Er stieß einen Bekannten zu Boden und raubte ihm die Geldtasche, war bei Diebstählen auf Bargeld aus - "für Getränke und Zigaretten" - und defäkierte auf die Fußmatte eines Nachbarn, der offenbar vom Fenster aus in die Wohnung der Familie des Buben hineinfotografiert hatte. Wo er sich erstmals geborgen fühlte, das war in der Justizanstalt Salzburg, wie der Angeklagte erzählte. "Da ist es besser als daheim. Ich habe mit wem reden können."

Der Sonderschüler wurde am 19. Februar in U-Haft genommen, weil die Justiz keine andere Möglichkeit mehr sah, wie man ihn vor weiteren Straftaten bewahren konnte. "Der Staat ist nicht in der Lage, dem Jugendlichen ein besseres Umfeld zu schaffen, wenn es Probleme gibt", kritisierte Verteidiger Peter Lechenauer. Er sprach von einem "Alkoholikerumfeld", in dem der Angeklagte aufgewachsen war, die "gequälte Seele" habe sich mit den Tathandlungen Aufmerksamkeit verschaffen wollen. Der Bursch erzählte dann selbst, dass er von der Mutter mit einer Gürtelschnalle misshandelt wurde und auch deren Lebensgefährte gewalttätig war. Deshalb habe er mit einer Holzlatte auf den Mann geschlagen und dabei auch die Mutter erwischt.

Der neuropsychiatrische Gutachter Ernst Griebnitz attestierte dem Beschuldigten eine eingeschränkte Zurechnungsfähigkeit, hervorgerufen "durch die psychosoziale Konflikt- und Krisensituation und eine Persönlichkeitsentwicklungsstörung. Dass eine mangelhafte Schuldbildung vorliegt, weist deutlich darauf hin, dass ihm eine zu geringe Kinder- und Jugendförderung zu Teil wurde." Der Sachverständige zeigte sich heute überrascht, dass der Bub beim Prozess motiviert war, über seine Probleme zu sprechen. Er möchte sein Leben ändern und Berufsfischer werden, erzählte er den Schöffen. Die Jugendeinrichtung in Bayern sah er als eine Chance für die Zukunft. Schon in der Justizanstalt habe er sein Zimmer zusammengeräumt, berichtete er nicht ohne Stolz.

"Das Gewicht der Hauptverhandlung hat sich auf die Sanktionsfrage verlagert", resümierte Staatsanwalt Mathias Haidinger. Dem Angeklagten alleine die Schuld zuzuschieben, hielt die Vorsitzende des Schöffensenates, Richterin Christina Rott, "als den falschen Ansatz". In der Jugendeinrichtung soll nun der Verurteilte "Kontakt und Bindung" erfahren. Er bekommt einen "Bezugserzieher" zugeteilt, wie ein Familientherapeut heute erklärte. "Nutzen Sie die Chance, schauen Sie, dass Sie einen Beruf erlernen und gehen Sie fischen", sagte die Richterin.

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