Prozess in Graz

Arzt soll Kinder gequält haben: Überraschender Freispruch

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Das Urteil gegen den oststeirischen Arzt ist vorerst noch nicht rechtskräftig.

Ein oststeirischer Arzt ist am Freitagabend im Grazer Straflandesgericht - für viele Beobachter überraschend - vom Vorwurf des jahrelangen Quälens seiner vier Kinder freigesprochen worden. Dem Mediziner wurde vorgeworfen, sich selbst vor den Augen der Kleinen verletzt zu haben und sie dann gezwungen zu haben, ihm zu helfen. Der Arzt stritt alles ab. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Richter Andreas Rom führte in seiner Urteilsbegründung aus: "Es ist zwar in der Familie viel passiert, aber aus den Akten und den heutigen Aussagen findet man keinen Anhaltspunkt, dass die Handlungen mit derartiger Intensität begangen wurden, dass es strafbar ist." Der Richter sah in den Vorwürfen der Familienmitglieder vielmehr einen "verspäteten Rosenkrieg nach der Scheidung". Die Frau habe - mithilfe der Kinder - versucht, dem angeklagten Arzt etwas in die Schuhe zu schieben. Seine Praxis ist derzeit geschlossen, eine endgültige Entscheidung der Ärztekammer steht noch aus.

Nach außen hin war es eine perfekte Familie, beide Eltern Ärzte, vier Kinder, ein Haus und eine florierende Praxis. Doch was an zwei Verhandlungstagen zur Sprache kam, war alles andere als ein heiles Familienleben. Die Kinder, die mittlerweile alle erwachsen sind, hatten den Vater, der der Bruder eines Spitzenpolitikers ist, zwei Jahre nach der Scheidung angezeigt, weil er sie nach ihren Angaben jahrelang verbal psychisch gequält hatte.

Dauernd abfällige Bemerkungen

Eine der Töchter - die Kinder wurden in einem abgesonderten Raum befragt - gab an, die Selbstmorddrohungen seien "ganz normal" gewesen. "Das war immer wieder, wenn die Mama sich scheiden lassen wollte." Aber auch, wenn eines der Kinder sein Essen nicht ganz aufgegessen hatte. "Er hat gesagt, ihr seid so gemein, ich bring' mich um", schilderte die Zeugin den häuslichen Alltag. Ihr Vater habe immer "so einen vernichtenden Blick gehabt, das war so schlimm für mich, ich habe ihn die letzten Jahre gar nicht mehr in die Augen geschaut." Abfällige Bemerkungen wie "du bist zu dick" oder "aus dir wird nie etwas" seien ebenfalls dauernd gefallen.

Das jüngste Mädchen weinte schon vor Beginn des Gespräches mit dem Richter. "Er hat oft gesagt, da kann ich mich gleich erschießen. Er hat sich auch die Waffe an den Kopf gehalten", beschrieb das Mädchen. Einmal habe sie auf Bitte der Mutter die Polizei gerufen: "Ich hab' nur geweint und gehofft, dass sie ihn endlich mitnehmen." Die Tochter hat vom Vater - den sie wie auch ihre Geschwister bei der Verhandlung nur beim Vornamen nannte - sechs Jahre lag Morphium bekommen, mit 18 hatte sie Entzugserscheinungen. Auf die Frage, wie sie ihren Vater als Mensch beschreiben würde, sagte das Mädchen unter heftigem Weinen: "Nein, das ist kein Mensch."

Sohn: "Ich traue ihm alles zu"

Besonders harte Worte fand der Sohn in Bezug auf seinen Vater: "Ich traue ihm alles zu." Die Angst der Kinder vor dem Mediziner sei erst weniger geworden, als die Sache an die Öffentlichkeit gelangt war. "Da konnten die Behörden nichts mehr vertuschen", war er überzeugt. Seinen Vater bezeichnete er als "sadistische, perverse Kreatur". Die letzte der befragten Töchter wirkte, als würde ihr das Erinnern schwer fallen. "Ich war mit 14 schon depressiv", erzählte sie. Sie hatte ständig Angst, dass sich ihr Vater umbringen würde. Dann kam die Befürchtung dazu, dass er auch ihr und ihren Geschwistern etwas antun könnte. Bis heute ist das so geblieben. "Ich hab' jeden Tag Angst, und das wird auch so bleiben, so lange dieser Mensch lebt."

Sechs Stunden dauerte die Befragung der Kinder, die Mutter wurde anschließend gehört. Es stellte sich immer wieder die Frage, warum sie den Kindern nicht geholfen habe. "Ich habe erst nach der Scheidung erfahren, wie es ihnen gegangen ist. Sie haben erst dann begonnen, ohne Ende zu erzählen."
 

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