Knast-Call-Center

Müssen Häftlinge Kunden betrügen?

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Betreibt die österreichische Justiz Betrüger-Recycling? Medienberichten zufolge sollen Häftlinge als Call-Center Agents zweifelhafte Verkaufspraktiken anwenden müssen.

Die Call-Center der Grazer Justizanstalten Karlau und Jakomini sorgen auch nach rund eineinhalb Jahren Betrieb noch immer für Aufregung: Jüngster Streitpunkt sind angeblich unlautere Geschäftsmethoden der für eine Privatfirma anrufenden Häftlinge. Laut Personalvertreter Christian Sikora beschwerten sich schon Insassen, dass sie im Call-Center "betrügen müssen". Seitens des Justizministerium wies man Vorwürfe zurück: "In den Call-Centern herrschen strenge Regeln", so Thomas Geiblinger aus dem Büro von Ministerin Maria Berger (S).

40.000 Euro Reingewinn
Der Dienststellenausschuss in der Karlau habe schon öfter Bedenken wegen der Methoden im Call-Center vorgebracht, so Sikora. Diese seien aber von der Anstaltsleitung stets wegen des "wirtschaftlichen Vorteils" zurückgeschmettert worden, erklärte der Beamte. Konkret handle es sich um rund 40.000 Euro Reingewinn pro Jahr, bestätigte Sikora einen Bericht der "Kronen Zeitung" (Dienstag-Ausgabe). Dabei müssten aber die Lizenz- und Telefonkosten für die Gespräche nach Deutschland von der Anstalt - konkret vom Justizministerium - bezahlt werden, betonte Sikora. "Eigentlich zahlt das der Steuerzahler."

Fragwürdige Methoden
Die Methoden, welche die rund zehn als Telefonisten tätige Häftlinge für eine Telefonfirma anwenden müssten, seien mehr als fragwürdig. So würden Kunden ohne Zustimmung für Werbezwecke angerufen - was sowohl in Österreich als auch in Deutschland verboten ist. Außerdem müssten die Insassen falsche Namen angeben und behaupten, sie würden aus Deutschland anrufen. Beim Kunden solle Eindruck erweckt werden, dass die Deutsche Telekom anrufe, meinte der Beamte, der selbst schon Gespräche verfolgt haben will.

Betrüger-Recycling
Im Prinzip habe der Häftling die Möglichkeit, Name und Telefonnummer von "empfänglichen" Gesprächspartnern weiterzugeben oder nach der Entlassung selbst für welche Zwecke auch immer zu verwenden, so Sikora. Gesucht werden für die Telefonate in erster Linie "Verkaufsgenies mit einschlägiger Erfahrung", so Sikora. Dies seien zumeist jene Insassen, die ohnehin schon wegen Betrügereien im Gefängnis seien. Sie könnten im Call-Center ihr "Handwerk" nicht nur perfektionieren, sondern auch Tipps untereinander austauschen.

"Stimmt alles nicht," hieß es hingegen aus dem Justizministerium. Die Insassen würden genau ausgesucht und dürften lediglich sogenannte Anbahnungsgespräche führen - alle Telefonate würden zusätzlich aufgezeichnet. Laut Berger-Sprecher Geiblinger sei natürlich nicht auszuschließen, dass unter den Telefonisten auch Betrüger seien - "sie müssen natürlich der deutschen Sprache Herr sein". Im Vorgehen des Personalvertreters ortet er ein "persönliches Match" mit der Anstaltsleitung, das auf dem Rücken der Dienstnehmer ausgetragen werde.

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