ÖSTERREICH-Interview

Andrea Kdolsky: Ein Original meldet sich zurück

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Ex-Gesundheitsministerin: "Ich zeige die Missstände im System auf"

Als Gesundheitsministerin (Jänner 2007 – Dezember 2008) hatte es Andrea Kdolsky (bald 50) nicht immer leicht: Die Quereinsteigerin hatte viele Visionen, wollte viele Reformen auf Schiene bringen. Stattdessen machte sie Schlagzeilen mit ihrem Schweinsbratenbuch („Überall, wo ich hinkam, bekam ich nur mehr Schweinsbraten“), ihrer Vorliebe für Jimmy-Choo-Schuhe und ihrer Scheidung. Nur zwei Jahre war Kdolsky Ministerin, trotzdem ist sie vielen noch in guter Erinnerung.

Neues Buch
Diesen Promi-Status nützt die erfolgreiche Managerin für Gesundheit bei PricewaterhouseCoopers für ihr neues Buch. In Hauptsache gesund (Verlag Goldmann Gesellschaft) skizziert sie anhand einer fiktiven Familie punktgenau das heimische Gesundheitssystem.

Im Interview erzählt sie über ihr tragisches Familienschicksal, über die aktuelle politische Krise und ihr neues Leben.

ÖSTERREICH: Frau Kdolsky, nach Ihrer Karriere als Ärztin, Ministerin und Managerin sind Sie nun auch Buchautorin. Warum wollten Sie ein Gesundheitsbuch schreiben?
Andrea Kdolsky: Nach 30 Jahren im Gesundheitswesen wollte ich einmal die Stimme erheben für den Teil des Gesundheitswesens, der eigentlich die Hauptrolle spielen sollte – den Patienten. Ich versuche in meinem Buch, die Missstände im System aufzuzeigen und die Menschen neugierig auf dieses System zu machen. Denn leider sind die Patienten am schlechtesten über das System informiert. Ich behaupte, dass das mit Absicht passiert, denn den nicht informierten Patienten kann man besser steuern.
ÖSTERREICH: Ist es ein klassisches Sachbuch?
Kdolsky: Nein, ich erzähle anhand einer Familie, was alles im Leben passieren kann. Von der Geburt eines Kindes, über den Brustkrebs der Mutter bis zum Pflegefall.
ÖSTERREICH: Wo orten Sie die Missstände in unserem Gesundheitssystem?
Kdolsky: Wir haben das teuerste Gesundheitssystem Europas. Wir investieren 11 Prozent des BIP. Das ist auch nicht das Problem, wenn sich ein Land das leisten will. Die Frage ist nur, wie viel investiere ich ins System und was bekomme ich dafür heraus? Bei den europäischen Gesundheitsberichten etwa bei Kinder- und Jugendgesundheit schneiden wir desaströs ab und rangieren immer auf den letzten Plätzen. Da wirft sich für mich schon die Frage auf: Wenn bereits Jugendliche an Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder muskulären Erkrankungen leiden, und sie möglicherweise nie in den Arbeitsprozess eingegliedert werden können, wie sollen wir dann das System weiter finanzieren?
ÖSTERREICH: Sie widmen dieses Buch Ihrer Schwester Ursula, die als Kind an Leukämie starb. Wie alt waren Sie damals und wie haben Sie den Tod erlebt?
Kdolsky: Ich war 10 Jahre und meine Schwester 7 Jahre alt. Was ich damals gespürt habe, war, dass sich alles in der Familie um meine Schwester dreht und dass irgendetwas nicht stimmt. Den Tod habe ich sehr intensiv mitbekommen, weil es meiner Mutter wichtig war, dass meine Schwester zu Hause stirbt. Sie hat sie gemeinsam mit einer Krankenschwester gepflegt. Ich weiß bis heute nicht, ob meine Entscheidung, Medizin zu studieren, nicht mit dem Tod meiner Schwester zu tun hat. Das Buch ist vielleicht der Abschluss. Mir war es wichtig, meiner Schwester ein Denkmal zu setzen.
ÖSTERREICH: Sie standen als Ministerin stark unter Beschuss. Da gab es die Schweinsbraten-Affäre, den Clini-Clown-Auftritt und dann noch die Scheidung. Welche Kritik hat Sie am meisten geschmerzt?
Kdolsky: Es waren nicht die Kritikpunkte im Besonderen, sondern was mich gekränkt hat, war: Dass ich als Fachexpertin in die Politik geholt wurde und plötzlich nicht mehr über meine Fachkenntnisse definiert wurde, sondern auf all diese Punkte reduziert wurde. Der Ruf aus der Bevölkerung nach Politikern aus der Bevölkerung wird immer größer, weil sie keine abgehobenen Politiker haben wollen, die nicht mehr gestalten und nur verwalten. Dann muss man sich bewusst sein: Ein Querseinsteiger kann eben geschieden sein oder einen neuen Lebenspartner finden.
ÖSTERREICH: Die Politik hat jetzt ein sehr schlechtes Image. Was halten Sie von Spindeleggers Verhaltenskodex?
Kdolsky: Ich finde es ein wenig traurig, dass es überhaupt notwendig ist, so einen Kodex zu erstellen und moralisches Verhalten nicht auf der Hand liegt. Da halte ich es mit Othmar Karas: „Es gibt ja die 10 Gebote.“ Aber es ist wahrscheinlich in einer aufgeheizten Situation als ein Zeichen zu werten. Prinzipiell bin ich der Meinung, dass Politiker den Vorteil für die Menschen in den Vordergrund stellen müssen und nicht ihren eigenen. Aber deswegen müssen sie auch nicht gleich das Armutsgelübde ablegen. Das ist auch der Grund, warum ich gerne in der Wirtschaft arbeite, denn da ist es kein Thema, dass derjenige, der viel leistet, auch ordentlich entlohnt wird.

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