Per Erlass

Bandion-Ortner rügt Skandal-Urteil

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Ein Türke malträtierte seine Frau, stach auf sie ein. Gericht: Kein Mordversuch. Jetzt wurde das Urteil gerügt. Für den Verurteilten hat dies jedoch keine Folgen.

Das Justizministerium hat am Dienstag auf das umstrittene Totschlag-Urteil reagiert, mit dem einem gebürtigen Türken, der seine scheidungswillige Frau niedergestochen hatte, eine allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung zugebilligt wurde.

Erlass
Das Ministerium stellt nun in einem an sämtliche Oberlandesgerichte und Oberstaatsanwaltschaften gerichteten Erlass klar, "dass nach Lehre und Rechtsprechung weder die Ausländereigenschaft im Allgemeinen noch die Herkunft aus einem bestimmten Land für sich genommen den Grad der Heftigkeit einer Gemütsbewegung und die allgemeine Begreiflichkeit einer heftigen Gemütsbewegung zu begründen vermögen".

Zur allgemeinen Begreiflichkeit bedürfe es neben den sonstigen Voraussetzungen "immer auch der Verständlichkeit aus österreichischer Sicht".

In diesem Sinne sei "eine allfällige allein durch die Ankündigung der Scheidung oder Trennung hervorgerufene heftige Gemütsbewegung des Täters unabhängig von seiner Herkunft für sich genommen nicht allgemein begreiflich", betont das Ministerium. Vielmehr würden Gewalthandlungen im Zusammenhang mit Scheidungs- oder Trennungsankündigungen "regelmäßig gegen eine allgemeine Begreiflichkeit einer heftigen Gemütsbewegung sprechen".

Richter-Unabhängigkeit bleibt gewahrt
Der Erlass zur Auslegung der allgemein begreiflichen, heftigen Gemütsbewegung stelle "keinen Eingriff in die Rechtsprechung dar", versicherte das Ministerium. Die Unabhängigkeit der Justiz sei selbstverständlich garantiert, betonte Katharina Swoboda, die Sprecherin von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (V).

Ein Erlass sei "ein ganz normaler Vorgang, um Mitarbeiter der Justiz über aktuelle Entwicklungen und Rechtsfragen von allgemeiner Bedeutung zu informieren". Wenn sich etwa die Rechtslage ändere, diene ein solcher als Hilfsmittel, "um den Mitarbeitern die tägliche Arbeit zu erleichtern", sagte Swoboda.

Die Vorgangsweise des Ministeriums dürfte dazu dienen, die Staatsanwaltschaften darauf hinzuweisen, dass sie bei der Erstellung ihrer Anklagen der Judikatur des Obersten Gerichtshofs (OGH) mehr Augenmerk schenken sollten. Der OGH hat in mehreren Entscheidungen bei der Frage, ob bei einem Tötungsdelikt die für einen Totschlag erforderliche allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung vorliegt, besonders enge Maßstäbe angelegt. Insofern könnte der Erlass als "Richtlinie" für zukünftige, von den Anklagebehörden zu beurteilende Tötungsdelikte dienen.

Keine Folgen für den Verurteilten
Für den gebürtigen Türken, dem versuchter Totschlag zugebilligt worden war, nachdem er seine scheidungswillige Ehefrau mit einem Messer und einem Stahlrohr lebensgefährlich verletzt hatte, bleibt der Erlass ohne Folgen. Der Schuldspruch ist bereits rechtskräftig, lediglich gegen das Strafausmaß - sechs Jahre Haft - hat die Staatsanwaltschaft Berufung angemeldet.

Frauenministerin erleichtert
Positiv auf den Erlass reagierten Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SP), die SP-Frauensprecherin Gisela Wurm und der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser. Heinisch-Hosek sprach von einem "positiven Signal an all jene Frauen, die von Gewalt betroffen sind". Endlich sei klargestellt, dass eine allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung nicht mit kulturellen Hintergründen argumentiert werden dürfe.

Steinhauser begrüßte "die Klarstellung des Justizministeriums" für künftige, ähnlich gelagerte Fälle: "Allgemeine kulturelle Zuschreibungen sollen nicht als Rechtfertigung für bestimmte Handlungsweisen Einzug ins Strafrecht halten." SP-Frauensprecherin Wurm ortet einen "Sieg der Grundrechte in Österreich".

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