Molterer rüffelt SPÖ

"Bei linken Träumereien Stopptaste drücken"

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Der ÖVP-Chef betrachtet sich im ORF-Sommergespräch als Nummer1 und rüffelt den roten Partner.

ÖVP-Chef Wilhelm Molterer hat im ORF-"Sommergespräch" am Dienstagabend versucht, sich vom Koalitionspartner SPÖ abzugrenzen. Im Interview mit ORF-Infodirektor Elmar Oberhauser und Herbert Lackner (profil) hat der Vizekanzler gemeint, die Koalition sei "keine Liebesheirat" gewesen. Man befinde sich nun "gleichstark auf Augenhöhe in der Regierung", und das Regierungsprogramm trage die "Handschrift der ÖVP".

"Ich bin Nummer 1"
Ob er bei der nächsten Nationalratswahl 2010 als ÖVP-Spitzenkandidat ins Rennen geht, ließ er offen: "Es ist eine denkbare Variante", so Molterer. Seine Kandidatur will er "von der Situation 2010" abhängig machen. Als "Lückenbüßer" nach der verlorenen Wahl im Vorjahr sieht er sich nicht. Es habe in der Vergangenheit "kritischere Wechsel" gegeben. Er sei froh, dass sein Vorgänger Wolfgang Schüssel nach wie vor "an Bord" ist. Jetzt liege die Verantwortung aber bei ihm allein: "Ich bin Nummer eins".

Kritik am Koalitionspartner
Die SPÖ ließ Molterer nicht ungeschoren davon kommen: "Teile der SPÖ stellen das Regierungsübereinkommen in Frage, etwa bei der Pensionsentwicklung". Kritik - etwa von ÖVP-Landeshauptmann Erwin Pröll - an der Regierung hält er für "zum Teil berechtigt". Die Ursache dafür sieht er aber bei der SPÖ.

Zu parteiinternen Konflikten
Zu ÖVP-internen Debatten - etwa jene um die Neutralität - meinte Molterer, es gebe "Vorschläge, die gut sind und weniger gute". Die Neutralität stehe aber nicht zur Disposition. Umweltminister Josef Pröll werde am 1. Oktober eine Zusammenfassung der Arbeit der Perspektivengruppen vorstellen. Aus der Gruppe "Europa" war der Vorschlag gekommen, die Neutralität abzuschaffen.

Zum Thema vorgezogener Steuerreform kam einmal mehr eine Absage - Schulden in der jetzigen Zeit zu machen, sei "ökonomisch falsch".

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Nach der Wahl des früheren Islamisten Abdullah Gül zum Staatspräsidenten sieht der Vizekanzler die Türkei und ihre EU-Beitrittsambitionen in einer "interessanten Phase". "Das wird der Prüfstein werden, wie geht dieses Land mit seiner europäischen Perspektive um", so Molterer.

Allerdings bezog er weder für noch gegen einen EU-Vollbeitritt Stellung. Bei einem wichtigen Land wie der Türkei könne man nicht die Türen zuschlagen, aber es sei auch entscheidend, ob es das europäische Wertemodell erfülle. Wenn nicht, schloss Molterer auch den Abbruch der Beitrittsverhandlungen nicht aus. Zudem stelle sich nicht nur die Frage, ob die Türkei "europafähig" sein könne, sondern auch, ob die EU die Türkei aufnehmen könne.

Alles Gute für Kdolsky
Privates möchte Molterer weiterhin nicht in die Öffentlichkeit tragen. "Von mir gibt es keine Homestorys. Ich halte das nicht für richtig". Dass Parteifreundin und Gesundheitsministerin Kdolsky mit ihrer Scheidung in die Öffentlichkeit gegangen ist, wollte er nicht weiter bewerten. "Es ist eine schwierige Situation für Andrea Kdolsky gewesen", so der Vizekanzler: "Ich wünsche ihr alles Gute."

Strache nicht partnerfähig
FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hält Molterer derzeit für "nicht partnerfähig". Zunächst bedürfe es einer Distanzierung "von seinen Dingen, die da aufgetaucht sind", spielte er auf Kontakte Straches zur verbotenen neonazistischen Jugendorganisation Wiking-Jugend an.

Das "Sommergespräch" mit Wilhelm Molterer sahen durchschnittlich 419.000 Zuschauer (Marktanteil: 20 Prozent). Das "Sommergespräch" war das vierte in dieser Reihe. Eine Wiederholung gibt es am Mittwoch um 12.00 Uhr in ORF 2. Zum Abschluss der Interview-Serie ist am kommenden Freitag (21.20 Uhr, ORF) Bundeskanzler und SPÖ-Obmann Alfred Gusenbauer zu Gast, den Elmar Oberhauser und Christoph Kotanko ("Kurier") befragen.

Bisher erzielte das Gespräch mit FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, der von Oberhauser und ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner interviewt wurde, die höchste Einschaltquote: bis zu 585.000 TV-Zuschauer waren dabei.

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