Amtsmissbrauch?

Causa Aliyev sorgt weiter für Aufregung

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Laut Opferanwalt hofften Behörden auf eine Flucht der Mittäter.

Der Wiener Anwalt Gabriel Lansky hat im Fall des mordverdächtigen früheren kasachischen Botschafters Rakhat Aliyev schwere Vorwürfe gegen die österreichischen Behörden erhoben. Bei einem Treffen von Spitzenvertretern des Justiz-, Innen- und Außenministeriums sei der Hoffnung Ausdruck verliehen worden, dass die mutmaßlichen Mittäter es dem Ex-Botschafter gleichtun und Österreich verlassen, berichtete Lansky am Montag in einer Pressekonferenz in Wien. Er bezog sich auf von ihm eingesehene Aktenvermerke zu Treffen am 23. Mai.

Verdacht des Amtsmissbrauchs
Lansky will noch diese Woche eine Anzeige wegen des Verdachts von Amtsmissbrauch bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft einbringen. Das Spitzentreffen habe nämlich stattgefunden, nachdem sich die Beweise gegen Aliyev und seine Mittäter verdichtet hätten. Anfang Mai waren nämlich in Kasachstan die Leichen der beiden Banker Zholdas Timraliyev und Aibar Khasenov gefunden worden, deren Entführung Aliyev angelastet wird. Oder, wie Lansky sarkastisch sagte, "nachdem die Behörden nachweislich Wissen hatten, dass Aufklärung droht".

Auslieferungsantrag
Kasachstan verlangt seit mehreren Jahren die Auslieferung Aliyevs und der vier mutmaßlichen Mittäter, die bereits rechtskräftig verurteilt sind. Ein erster Auslieferungsantrag wurde im Jahr 2008 unter Hinweis auf den mangelnden Schutz der Menschenrechte in der zentralasiatischen Republik abgelehnt. Mittlerweile gibt es aber ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), das Auslieferungen nach Kasachstan für zulässig erklärt.

"Begünstigungspolitik"
Lansky bezeichnete die Aktenvermerke als "dramatischen Schlusspunkt der Begünstigungspolitik" Österreichs im Fall Aliyev und sprach von "Fluchthilfe für Mörder". Diesen seien im Schnellverfahren Niederbelassungsbewilligungen verschafft worden statt sie zu verhaften oder wenigstens einzuvernehmen. Bisher seien die Vorwürfe gegen Aliyev als unglaubwürdig abgetan worden. Der Leichenfund sei aber "der ultimative Beweis für das Auslieferungsverfahren, dass die Geschichte keine erfundene ist", betonte Lansky.

Empörung bei Lansky
Dennoch sei beim Spitzentreffen über Möglichkeiten eines Aufenthaltsrechts für die Mittäter diskutiert worden, um sie "mit Mitteln des Fremdenrechts zu immunisieren vor Auslieferung", empörte sich Lansky. So habe ein Vertreter des Bundesasylamts berichtet, dass die Asylverfahren gegen zehn Personen "quasi entscheidungsreif" seien, gab der Anwalt den Inhalt des Aktenvermerks wieder. Wegen ihrer Straffälligkeit sei zwar kein Asyl möglich, aber eine Duldung nach dem Fremdenpolizeigesetz. Dann könne die Auslieferung abgelehnt werden. Dazu müsse es aber nicht kommen, wenn sie schon vor Bescheiderlassung des Land verlassen hätten. Eben wegen seiner Abwesenheit soll auch das Auslieferungsverfahren gegen Aliyev abgebrochen werden. Er soll sich derzeit auf Malta aufhalten.

Österreich drohe "ein Zufluchtsort für Schwerverbrecher" zu werden, kritisierte der Anwalt der Republik Kasachstan, Richard Soyer. "Selten bin ich als Strafverteidiger mit einer Beweiskette konfrontiert worden, die derart dicht ist", sagte er. Die Täter müssten entweder ausgeliefert werden, oder man müsse ihnen in Österreich den Prozess machen. Möglich wäre auch ein internationales Tribunal wie im Fall des ermordeten libanesischen Premiers Rafik Hariri. Es gebe einen "absoluten Zugzwang seitens der österreichischen Justizbehörden", als europäischer Staat könne es sich Österreich nicht leisten, untätig zu bleiben.

Zuflucht für Schwerverbrecher
Ähnlich äußerte sich auch der Wiener Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Er wies darauf hin, dass das österreichische Strafgesetzbuch die Justizbehörden zur Strafverfolgung verpflichtet, wenn ausländische Täter nicht an ihre Heimat ausgeliefert werden können. "Nichts zu tun und zu warten, bis die Leute weg sind, ist (...) unzulässig", unterstrich Mayer. Wegen der Schwere des Delikts und der Fluchtgefahr wäre somit jedenfalls Auslieferungshaft gegen die mutmaßlichen Mittäter zu verhängen, sekundierte auch der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Klaus Schwaighofer.

Während der frühere Chef der Wiener Kriminalpolizei, Max Edelbacher, die Ermittlungen seiner kasachischen Kollegen im Fall Aliyev als "internationalen Standards entsprechend" qualifizierte, berichtete der Berliner Gerichtsmediziner Michael Tsokos über die Identifizierung der beiden Leichen. Dies sei "eine Leistung" gewesen, weil sie in mit Kalk zugeschütteten Metallfässern begraben worden seien.

Die Verwendung von Kalk sei "eine der perfidesten Methoden, um sowohl die Identität zu verschleiern als auch die Todeszeitbestimmung unmöglich zu machen", berichtete er. Durch aus Knochen entnommenes DNA-Material sei dennoch eine Identifizierung gelungen. Die beiden hätten Zeichen von Misshandlung aufgewiesen, bei einem sei ein 1,5 bis 2 Zentimeter großer Stein im Dickdarm gefunden worden. Aliyev bestreitet die Entführung und Ermordung der beiden und betont, dass sie noch am Leben gewesen seien, als er das Land verlassen habe.

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