Flüchtlingspolitik

Experte: Merkel macht jetzt Kurz nach

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Heikler Besuch in sensibler Phase: Kanzler Kurz trifft am Mittwoch Kanzlerin Merkel.

Wien. Erst war Kurz bei Macron in Paris, nun der Antrittsbesuch in Berlin. Der Zeitpunkt ist brisant: Merkel steht unter Druck. Fast vier Monate nach ihrem Wahlsieg hat sie noch keine Regierung. Die von Kurz steht. Auch die Große Koalition (GroKo) mit der SPD steht auf wackeligen Beinen.
 
Vorbild. Deutsche Polito­logen schielen bereits nach Wien, vergleichen Asyl- und EU-Politik von Kurz mit der von Merkel. Kurz hat die ­Balkanroute geschlossen, betreibt eine restriktivere Asylpolitik, auch auf EU-Ebene. „In Deutschland ist in der Flüchtlingsfrage derzeit sehr viel Bewegung drinnen“, sagt Politexperte Thomas Jäger von der Universität Köln zu ÖSTERREICH: „Kurz war damit deutlich erfolgreicher als die deutsche Regierung, die davon profitiert hat.“
 
Professor Jäger weiter: „Merkel war einerseits froh, dass Österreich so vorging und der Zuzug gestoppt wurde. Andererseits wollte sie aber die Interpretationshoheit über diesen Prozess nicht verlieren. Das hätte sie aber, wenn sie offen gesagt hätte, wir danken der Regierung in Österreich.“
 
Inzwischen schwenkte Mer­kel aber Schritt für Schritt auf die Kurz-Politik um: „Die Zahl der Asyl­werber wird reduziert, und die Grenzen werden stärker kon­trolliert“, so Experte Jäger. Sogar auf eine Asylobergrenze habe man sich geeinigt, man nennt diese aber anders. 180.000 bis 220.000 Menschen will man ins Land lassen. Auch der Familiennachzug soll beschränkt werden, auf 1.000 Personen im Monat.
Spannung. Kurz selbst sieht den Berlinbesuch prag­matisch: „Natürlich gab es in der Flüchtlingsfrage Meinungsverschiedenheiten. Aber ich habe stets im Interesse Österreichs gehandelt und werde das auch in Zukunft tun.“
 
Karl Wendl
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