Experte deckt auf

So kaputt ist unsere Schule

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Experte Salcher: Lehrer, Leseschwäche, Volksschule - das läuft schief.

Noch zwei Tage, dann steht die Zukunft Österreichs und die unserer Kinder auf dem Spiel: Ab Donnerstag startet der Industrielle Hannes Androsch das „Bildungs-Volksbegehren“ und will mit einem umfassenden Forderungskatalog Druck für eine Bildungsreform machen (siehe rechts). Ein Vorhaben, das breite Unterstützung finden könnte – und mehr als nötig ist. Denn das Bildungssystem kränkelt seit Jahren. Die Top-Bildungsexperten Andreas Salcher und Josef Broukal analysieren die größten Baustellen:

Baustelle 1: Schüler können nicht lesen. Laut PISA-Studie gehören 20 Prozent der 16-Jährigen zur Risikogruppe der schlechten Leser. Sie sind nicht fähig, einen Text Sinn erfassend zu verstehen. Josef Broukal: „Das ist ein Skandal, in Finnland liegt der Wert bei sieben Prozent. Das Hauptproblem: Jene Schüler, die es nötig haben, werden nicht genug gefördert.“
Baustelle 2: Volksschüler sind leistungsschwach. Es hakt sogar bei den Jüngsten. Laut TIMSS-Studie ist jeder dritte Volksschüler der 4. Klasse in Mathematik und Naturwissenschaft „leistungsschwach“.
Baustelle 3: Falsche Lehrer ausgewählt. Laut Andreas Salcher sind Lehrer der Schlüsselfaktor für alle Probleme im Schulsystem: „Es geling nicht, die besten Lehrer zu motivieren und ihnen zu ermöglichen, täglich den besten Unterricht zu führen. Ich fordere: Nur die besten Studenten dürfen Lehrer werden.“
Baustelle 4: Dienstrecht. Eng damit verwoben ist das Dienstrecht – seit Jahren eine Baustelle. Salcher: „Eine Grundvoraussetzung ist, dass die Lehrer bis 16 Uhr an der Schule sind, doch da fehlt es an den Arbeitsplätzen.“
Baustelle 5: Fragwürdige Unterrichtsform. Das jetzige Schulsystem sieht – bis auf einige wenige positive Ausnahmen – ein starres Unterrichtssystem in Jahrgangs-Klassen vor. Broukal: „Die Idee, Klassen nach Leistung zusammenzufassen, ist je nach Schule sinnvoll.“ Salcher: „Mehrstufen-Klassen machen Sinn, nur in diesem Lehrplan ist das nicht umsetzbar.“ Zielführend wäre es, „Team-Teaching“ anzubieten – pro Klasse unterrichten also zwei Lehrer. Salcher: „Pädagogen, die 25 Jahre Frontalunterricht gewöhnt sind, müssen dafür erst ausgebildet werden.“
Baustelle 6: Bezahlung. Das heimische Bildungssystem sei ihm zudem zu wenig leistungsbezogen. „Ein junger Lehrer verdient viel zu wenig im Vergleich zu Alteingesessenen. Und das Standing von Schul-Direktoren muss in unserer Gesellschaft aufgewertet werden.“
Baustelle 7: Geld falsch investiert. Was das Schulsystem betrifft, gehört Österreich zu den Ländern mit dem höchsten Budget: „Nur das Geld erreicht die Schüler nicht“, so Salcher. Massiv fehle es an den Unis an Geld. „Sie brauchen 50 Prozent mehr“, so Broukal.

Bildungsministerin Claudia Schmied hat mit Zentralmatura, Neuer Mittelschule und modularer Oberstufe viele ehrgeizige Pläne – ein erfolgreiches Volksbegehren könnte wichtige Reformen für die „kaputte Schule“ vorantreiben.

Das sagt Experte Salcher zur Bildungs-Lage - Seite 2 >>>

 

ÖSTERREICH: Woran hakt es in Österreich?
Andreas Salcher: Lehrer sind der Schlüsselfaktor, bei dem Österreich seit Jahren versagt. Es gelingt nicht, die besten Leute zu motivieren, sie auszuwählen und ihnen zu ermöglichen, täglich den besten Unterricht zu liefern.
ÖSTERREICH: Was läuft noch schief im Bildungssystem?
Salcher: Österreich hat eines der teuersten Schulsysteme, aber das Geld muss zu den Schülern kommen, darf nicht verbrannt werden. Die Regierung ist beim Lehrer-Dienstrecht immer vor den Gewerkschaften in die Knie gegangen.
 

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