Kanzler im Interview

Faymann: "2015 kein Atom-Strom mehr"

Teilen

Regierungsgipfel soll klären, wie Österreich von Atomstrom unabhängig wird.

Die Atomgefahr in Europa brennt den Österreichern unter den Nägeln. Jetzt kündigt Kanzler Werner Faymann in ÖSTERREICH eine neue Initiative an. Noch vor dem Sommer will der SPÖ-Kanzler in einem Regierungsgipfel das Aus für den Atomstrom in Österreich paktieren.

Kein Atomstrom ab 2015: Faymann hat mit seinem Koalitionspartner Michael Spindelegger vereinbart. noch for dem Sommer einen Gipfel anzusetzen. Neben der ÖVP mit dabei: Umweltorganisationen wie Greenpeace, aber auch die Elektrizitätswirtschaft. Der Gipfel soll dann die Weichen stellen, damit Österreich ab dem Jahr 2015 gänzlich atomstromfrei wird. Dies hat die Regierung bei ihrer Klausur auf dem Semmering beschlossen. Und nicht nur das: Bis Herbst 2011 soll ein neues Ökostromgesetz kommen. Zusätzlich ist bis Herbst 2012 ein „Pakt für Energie-Effizienz“ geplant – die Regierung stellt dafür 100 Millionen Euro bereit.

EU-weites Volksbegehren: Zudem macht der Kanzler Ernst mit dem EU-weiten Volksbegehren für den Atomausstieg. Ab sofort werden im Internet Unterschriften gesammelt. Stattfinden kann das Volksbegehren allerdings erst im April 2012, wenn die EU die entsprechenden Gesetze beschlossen hat.

„AKW-Sünder“ an den Pranger: Bis Jahresende soll das Ergebnis der EU-weiten Stresstests vorliegen: Faymann will alle Länder, die beim Thema Atomsicherheit nicht mit offenen Karten spielen, „an den Pranger stellen“.

EU-Ausstieg bis 2050? Obwohl noch zahlreiche EU-Länder AKWs in Betrieb haben, glaubt der Kanzler, dass ein Atomausstieg bis zum Jahr 2050 durchaus möglich ist.

ÖSTERREICH: Drei Monate nach Fukushima – hat die Politik die richtigen Konsequenzen gezogen?
Werner Faymann: Tatsächlich haben viele Menschen das Gefühl, dass sich nach Fukushima die Politik noch immer nicht um den Atomausstieg kümmert, der Super-GAU gerät in Vergessenheit. Deshalb will ich verstärkt um den Atomausstieg in der EU kämpfen – das wird zum entscheidenden Punkt für die Glaubwürdigkeit der Politik.

ÖSTERREICH: Wie sieht die erste Zwischenbilanz seit Fukushima aus?
Faymann: Auf den ersten Blick sehr positiv. Deutschland hat gerade die Entscheidung getroffen, bis 2022 komplett aus der Atomkraft auszusteigen. Das ist ein Meilenstein. Die Schweiz wird durch ihre ­Bevölkerung gezwungen, schrittweise ihre AKWs stillzulegen. In Italien gewinnen die Atomgegner klar die Oberhand, und die Chancen stehen gut, dass sie das Referendum gegen die Atomkraft gewinnen. Das heißt, dass unsere Strategie richtig ist. Ich bin überzeugt, dass es in ganz Europa in der Bevölkerung eine klare Mehrheit gegen die Atomkraft gibt, und ich will dieser Mehrheit zum Durchbruch verhelfen.

ÖSTERREICH: Wie soll das gelingen?
Faymann: Ich und die Sozialdemokraten in der EU unterstützen die NGOs dabei, eine Bürgerinitiative vorzubereiten, die in ein europaweites Volksbegehren gegen die Atomkraft münden soll. Spätestens im Herbst sollen die Vorbereitungen dafür beginnen.

ÖSTERREICH: Was soll damit bewirkt werden?
Faymann: Ziel ist es, zunächst in allen Ländern Unterstützer zu sammeln, die über das Internet vernetzt werden – und die ab April 2012 dieses europaweite ­Anti-Atom-Volksbegehren tragen sollen.

ÖSTERREICH: Dieses Anti-Atom-Volksbegehren wird es EU-weit wirklich geben?
Faymann: Das wird es hundertprozentig geben. Wir sammeln ab sofort über das Internet Unterschriften in allen Ländern. Die EU wird ab Herbst die nötigen rechtlichen Schritte für die EU-weiten Volksbegehren fassen, ab April wird das dann möglich sein. Noch wichtiger aber ist, dass wir über diese Initiative allen Anti-Atom-NGOs die Möglichkeit geben wollen, in Wahlkämpfen die Atomfrage zum Thema zu machen. Es soll keine Regierung mehr in Europa gewählt werden, die sich positiv für die Atomkraft ausspricht.

ÖSTERREICH: Was halten Sie von den EU-Stress-Tests?
Faymann: Denen stehe ich an sich positiv gegenüber, weil wir erstmals Daten über die Sicherheit erhalten. Wir sehen sehr rasch, welche Länder ehrlich mit der Sicherheit ihrer AKWs umgehen und welche Länder nicht mit offenen Karten spielen. Diese Länder wird man gnadenlos an den Pranger stellen müssen. Der Wert der Stresstests wird sich an den Konsequenzen zeigen.

ÖSTERREICH: Was können wir in Österreich für den Atomausstieg Europas tun?
Faymann: Ich habe mit dem Koalitionspartner die Abhaltung eines Anti-Atom-Gipfels in Österreich noch vor dem Sommer beschlossen. Wir wollen dabei gemeinsam mit NGOs und der Energiewirtschaft endgültig beschließen, wie wir sicherstellen, dass wir bis 2015 keinen Atomstrom mehr importieren. Wir wollen als Regierung garantieren, dass es ab 2015 keinen Atomstrom mehr in unseren Netzen gibt.

ÖSTERREICH: Bis wann wäre denn EU-weit ein Atomausstieg möglich?
Faymann: In Deutschland und der Schweiz ist das bis 2022 bzw. 2034 machbar: In ganz Europa wäre ein Atomausstieg bis 2050 möglich, dazu gibt es eine Studie.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.