ÖSTERREICH-Interview

Kanzler Faymann: "Neustart für Regierung"

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Kanzler nach Regierungsumbildung im Interview mit ÖSTERREICH-Herausgeber Wolfgang Fellner.

Im ersten großen Interview nach der Regierungs-Umbildung kündigt Kanzler Werner Faymann (SPÖ) in ÖSTERREICH einen "Neustart" der Regierung an. Faymann: "Ich bin sehr optimistisch, dass diese Regierung nun die Chance für einen Neustart hat."
 

"Jetzt wird diese 
Regierung neu durchstarten"

ÖSTERREICH: Herr Bundeskanzler, wir stehen am Ende einer turbulenten Woche, die für die Regierung ein Erdbeben gebracht hat. Was ist Ihre erste Bilanz?
Werner Faymann: Wenn das ein politisches Erdbeben war, was ich für eine kleine Übertreibung von Ihnen halte, dann war es ein positives Erdbeben. Ich bin optimistisch, dass diese Regierung nun die Chance für einen Neustart hat. Und ich sage das bereits aus der Erfahrung der ersten Gespräche mit Reinhold Mitterlehner heraus, die ich als positiv empfunden habe. Wir sind uns einig, dass wir mit dieser Regierung durchstarten wollen. Der Herr Bundespräsident hat richtig gesagt, dass diese Umbildung die Chance für einen Neustart ist – ich versichere ihm und Ihnen: Diese Chance, durchzustarten, die werden wir nutzen!

ÖSTERREICH: Ihr erster Eindruck von Ihrem neuen Vizekanzler Reinhold Mitterlehner …
Faymann: … ist ein positiver. Ich kenne ihn ja schon sehr lange als verlässlichen Sozialpartner. Er ist einer, der zur Gemeinsamkeit, zur konstruktiven Lösung bereit ist. Ich glaube, das wird eine gute Zusammenarbeit für das Land werden. Wir beide können gut miteinander und wir werden – bei aller Unterschiedlichkeit unserer Parteien – das Gemeinsame über das Trennende stellen.

ÖSTERREICH: Wie soll der Neustart der Regierung aussehen?
Faymann: Ganz zentraler Bestandteil wird eine Steuersenkung werden, die den Arbeitnehmern mehr Geld und Kaufkraft und damit der Wirtschaft wieder neuen Aufschwung geben soll. Zweiter Bereich werden stabile Finanzen sein – mit deutlichen Einsparungen in der Verwaltung. Und der dritte Bereich soll eine Bildungsoffensive werden. Mit einem Schwerpunkt auf Kinderbetreuung, auf moderne Ganztagsschulen. Auch da bin ich sehr optimistisch und spüre neue Chancen mit Reinhold Mitterlehner als Partner.

ÖSTERREICH: Sehen Sie auch neue Chancen für Ihr Lieblingsthema, die Vermögenssteuer?
Faymann: Vermögenssteuern sind deshalb so wichtig, weil unser Land ja auch gerechter und die Kluft zwischen Arm und Reich kleiner werden soll. Aber ob dieses Mehr an Gerechtigkeit in einer Millionärs­steuer oder etwa in einer Erbschaftssteuer für mehr als 1 Million Vermögen besteht, das werden die Verhandlungen zeigen. Wichtig ist: Bis März 2015 soll die Steuerreform politisch gemeinsam fixiert sein.

ÖSTERREICH: Der Rücktritt von Spindelegger kam auch für Sie überraschend?
Faymann: Völlig überraschend. Es gab auch für mich kein Anzeichen dafür.

ÖSTERREICH: Ist das für Sie eine Befreiung von einer Blockade?
Faymann: Ich habe mich ausdrücklich bei ihm für die Zusammenarbeit bedankt und werde niemandem, der gerade gegangen ist, Steine nachwerfen. Das gebietet mein Respekt. Dass hier ein Eingraben in zu tiefe Gräben stattgefunden hat, aus denen man dann nicht mehr so leicht herausgefunden hat, das hat ja jeder gesehen. Aber man muss auch respektieren, dass hier jemand in sehr harter Zeit sehr hart gearbeitet hat. In Zeiten wie diesen Finanzminister zu sein, ist kein Honiglecken.

ÖSTERREICH: Wie sehen Sie den neuen Finanzminister Schelling?
Faymann: Zu seiner neuen Funktion als Finanzminister will und kann ich nichts sagen, das ist ja noch gar nicht beschlossen. Aber seine bisherige Tätigkeit im Gesundheitsbereich sehe ich positiv. Als ich als Kanzler angetreten bin, war ja das große Thema: „Achtung, in Kürze sind unsere Krankenkassen pleite!“ Und Alois Stöger ist es nicht zuletzt auch gemeinsam mit Hans Jörg Schelling gelungen, die Krankenkassen in eine positive Bilanz zu führen. Schelling und Stöger stehen beide für das, was wir brauchen: klare Effizienzverbesserung, klare Einsparung, ohne bei der Qualität zu sparen. Und das in Gemeinsamkeit, partnerschaftlich.

ÖSTERREICH: So optimistisch habe ich Sie selten erlebt.
Faymann: Ich werde hart dafür arbeiten, dass diese neue Regierung etwas weiterbringt. Es soll ein Neustart bei der Steuerreform, bei der Bildung, beim Wirtschaftswachstum werden. Genau das, was dieses Land braucht. Und das hoffentlich gemeinsam, ohne Streit.

ÖSTERREICH: Sie sind gerade in Brüssel beim Europäischen Rat. Wie dramatisch ist die Situation in der Ukraine? Wie hart werden die Sanktionen gegen Russland?
Faymann: Es liegt auf der Hand, dass russische Kräfte in der Ukraine sind. Das ist dramatisch und völlig inakzeptabel. Gerade deshalb brauchen wir dringend politischen Dialog. Russland und Ukraine müssen an einen Tisch.

ÖSTERREICH: Sie sind gegen ­härtere Sanktionen?
Faymann: Ich bin gegen sinnloses Säbelrasseln und gegen weitere Sanktionen, die nur uns selbst und unserer Wirtschaft schaden. Ich bin für Sanktionen bei Waffenlieferungen. Aber ich bin gegen militärische Drohgebärden, jetzt braucht es noch stärkeren Druck für politischen Dialog. Wichtig ist mir aber noch etwas ganz anderes …

ÖSTERREICH: Und das wäre?
Faymann: Dass Europa jetzt klare Zeichen für den Aufschwung setzt. Kommissions-Präsident Juncker will ein Investitionsprogramm von 300 Milliarden Euro für Investitionen, Forschung und Bildung präsentieren. Dafür habe ich gekämpft und für dessen Umsetzung werde ich weiter kämpfen. Wir erleben in Europa derzeit einen beinharten Richtungskampf zwischen jenen, die nur brutal sparen wollen – und jenen, die wie wir zwar auch sinnvoll sparen, aber genauso dringend investieren wollen. Wir müssen jetzt auch in Europa durchstarten – sparen allein ist zu wenig, wir brauchen einen neuen Aufschwung. Dafür kämpfe ich.

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